Interne Analyse für das Krisenmanagement von Pandemien (Bundesministerium des Inneren)
(Text als pdf: https://www.afd-bgl.de/wp-content/uploads/2021/03/Analyse-des-Krisenmanagements1.pdf)
KM4 Analyse des Krisenmanagements (Kurzfassung)
Vorbemerkung: Aufgabe und Ziel von Krisenstäben und jeglichem Krisenmanagement ist es, besondere
Gefahren zu erkennen und sie so lange zu bekämpfen, bis der Normalzustand wieder erreicht ist. Ein
Normalzustand kann also keine Krise sein.
Zusammenfassung der Analyseergebnisse
- Das Krisenmanagement hat in der Vergangenheit (leider wider besseren institutionellen Wissens)
keine adäquaten Instrumente zur Gefahrenanalyse und –bewertung aufgebaut. Die Lageberichte,
in denen alle entscheidungsrelevanten Informationen zusammen gefasst werden müssten,
behandeln in der laufenden Krise bis heute nur einen kleinen Ausschnitt des drohenden
Gefahrenspektrums. Auf der Basis unvollständiger und ungeeigneter Informationen in den
Lagebildern ist eine Gefahreneinschätzung grundsätzlich nicht möglich. Ohne korrekt erhobene
Gefahreneinschätzung kann es keine angemessene und wirksame Maßnahmenplanung geben.
Das methodische Defizit wirkt sich bei jeder Transformation auf eine höhere Ebene aus; die
Politik hatte bisher eine stark reduzierte Chance, die sachlich richtigen Entscheidungen zu
treffen.
- Die beobachtbaren Wirkungen und Auswirkungen von COVID-19 lassen keine ausreichende Evidenz
dafür erkennen, dass es sich – bezogen auf die gesundheitlichen Auswirkungen auf die
Gesamtgesellschaft – um mehr als um einen Fehlalarm handelt. Durch den neuen Virus bestand
vermutlich zu keinem Zeitpunkt eine über das Normalmaß hinausgehende Gefahr für die
Bevölkerung (Vergleichsgröße ist das übliche Sterbegeschehen in DEU). Es sterben an Corona im
Wesentlichen die Menschen, die statistisch dieses Jahr sterben, weil sie am Ende ihres Lebens
angekommen sind und ihr geschwächter Körper sich beliebiger zufälliger Alltagsbelastungen nicht
mehr erwehren kann (darunter der etwa 150 derzeit im Umlauf befindlichen Viren). Die
Gefährlichkeit von Covid-19 wurde überschätzt. (innerhalb eines Vierteljahres weltweit nicht
mehr als 250.000 Todesfälle mit Covid-19, gegenüber 1,5 Mio. Toten während der Influenzawelle
2017/18). Die Gefahr ist offenkundig nicht größer als die vieler anderer Viren. Wir haben es aller
Voraussicht nach mit einem über längere Zeit unerkannt gebliebenen globalen Fehlalarm zu tun.
– Dieses Analyseergebnis ist von KM 4 auf wissenschaftliche Plausibilität überprüft worden und
widerspricht im Wesentlichen nicht den vom RKI vorgelegten Daten und Risikobewertungen.
- Dass der mutmaßliche Fehlalarm über Wochen unentdeckt blieb, hat einen wesentlichen Grund
darin, dass die geltenden Rahmenvorgaben zum Handeln des Krisenstabs und des
Krisenmanagement in einer Pandemie keine geeigneten Detektionsinstrumente enthalten, die
automatisch einen Alarm auslösen und den sofortigen Abbruch von Maßnahmen einleiten
würden, sobald sich entweder eine Pandemiewarnung als Fehlalarm herausstellte oder
abzusehen ist, dass die Kollateralschäden – und darunter insbesondere die Menschenleben
vernichtenden Anteile – größer zu werden drohen, als das gesundheitliche und insbesondere das
tödliche Potential der betrachteten Erkrankung ausmacht.
- Der Kollateralschaden ist inzwischen höher ist als der erkennbare Nutzen. Dieser Feststellung
liegt keine Gegenüberstellung von materiellen Schäden mit Personenschäden (Menschenleben)
zu Grunde! Alleine ein Vergleich von bisherigen Todesfällen durch den Virus mit Todesfällen
durch die staatlich verfügten Schutzmaßnahmen (beides ohne sichere Datenbasis) belegen den
Befund. Eine von Wissenschaftlern auf Plausibilität überprüfte überblicksartige
Zusammenstellung gesundheitlichen Kollateralschäden (incl. Todesfälle) ist unten angefügt.
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- Der (völlig zweckfreie) Kollateralschaden der Coronakrise ist zwischenzeitlich gigantisch. Ein
großer Teil dieses Schadens wird sich sogar erst in der näheren und ferneren Zukunft
manifestieren. Dies kann nicht mehr verhindert, sondern nur noch begrenzt werden.
- Kritische Infrastrukturen sind die überlebensnotwendigen Lebensadern moderner
Gesellschaften. Bei den Kritischen Infrastrukturen ist in Folge der Schutzmaßnahmen die aktuelle
Versorgungssicherheit nicht mehr wie gewohnt gegeben (bisher graduelle Reduktion der
prinzipiellen Versorgungssicherheit, die sich z.B. in kommenden Belastungssituationen
niederschlagen kann). Die Resilienz des hochkomplexen und stark interdependenten
Gesamtsystems Kritischer Infrastrukturen ist gesunken. Unsere Gesellschaft lebt ab sofort mit
einer gestiegenen Verletzlichkeit und höheren Ausfallrisiken von lebenswichtigen
Infrastrukturen. Das kann fatale Folgen haben, falls auf dem inzwischen reduzierten
Resilienzniveau von KRITIS eine wirklich gefährliche Pandemie oder eine andere Bedrohung
eintreten würde.
UN-Generalsekretär António Guterres sprach vor vier Wochen ein grundlegendes Risiko an.
Guterres sagte (laut einem Tagesschaubericht vom 10.4.2020): „Die Schwächen und mangelhafte
Vorbereitung, die durch diese Pandemie offengelegt wurden, geben Einblicke darin, wie ein
bioterroristischer Angriff aussehen könnte – und [diese Schwächen] erhöhen möglicherweise das
Risiko dafür.“ Nach unseren Analysen ist ein gravierender Mangel in DEU das Fehlen eines
adäquaten Gefahrenanalyse und –bewertungssystem in Krisensituationen (s.o.).
- Die staatlich angeordneten Schutzmaßnahmen, sowie die vielfältigen gesellschaftlichen
Aktivitäten und Initiativen, die als ursprüngliche Schutzmaßnahmen den Kollateralschaden
bewirken, aber inzwischen jeden Sinn verloren haben, sind größtenteils immer noch in Kraft. Es
wird dringend empfohlen, sie kurzfristig vollständig aufzuheben, um Schaden von der
Bevölkerung abzuwenden – insbesondere unnötige zusätzliche Todesfälle – , und um die
möglicherweise prekär werdende Lage bei den Kritischen Infrastrukturen zu stabilisieren.
- Die Defizite und Fehlleistungen im Krisenmanagement haben in der Konsequenz zu einer
Vermittlung von nicht stichhaltigen Informationen geführt und damit eine Desinformation der
Bevölkerung ausgelöst. (Ein Vorwurf könnte lauten: Der Staat hat sich in der Coronakrise als einer
der größten fake-news-Produzenten erwiesen.)
Aus diesen Erkenntnissen ergibt sich:
- a) Die Verhältnismäßigkeit von Eingriffen in Rechte von z.B. Bürgern ist derzeit nicht gegeben, da
staatlicherseits keine angemessene Abwägung mit den Folgen durchgeführt wurde. Das BVerfG
fordert eine angemessene Abwägung von Maßnahmen mit negativen Folgen (PSPP Urteil vom 5.
Mai 2020).
- b) Die Lageberichte des Krisenstabs BMI-BMG und die Lagemitteilungen des Bundes an die Länder
müssen daher ab sofort
o eine angemessene Gefahrenanalyse und -bewertung vornehmen.
o eine zusätzliche Abteilung mit aussagekräftige Daten über Kollateralschäden enthalten
(siehe z.B. Ausführungen in der Langfassung)
o befreit werden von überflüssigen Daten und Informationen, die für die
Gefahrenbewertung nicht erforderlich sind, weil sie die Übersicht erschweren.
o Es müssten Kennzahlen gebildet und vorangestellt werden.
- c) Es ist unverzüglich eine angemessene Gefahrenanalyse und –bewertung durchzuführen.
Anderenfalls könnte der Staat für entstandene Schäden haftbar sein.
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Erläuterungen zum besseren Verständnis von Wirkzusammenhängen in einer Pandemie
Eine schwere Pandemie ist sehr selten und somit eine große Herausforderung. Die zuständigen Behörden
müssen eine Krisensituation bewältigen, für die es keine Erfahrungswerte gibt.
In der Abteilung KM des BMI und im BBK werden regelmäßig (zusammen mit anderen Behörden wie dem
RKI, teilweise Federführung des Kooperationspartners) Notfallvorsorgepläne, Pandemiepläne und weitere
organisatorische und rechtliche Rahmenbedingungen für die Bekämpfung auch von Pandemien entwickelt.
In der Vergangenheit wurden zu dem Szenario einer Pandemie zwar gelegentlich Studien erstellt, seltener
große Übungen durchgeführt und noch seltener ausführlichere Risikoanalysen erhoben. Aber alle diese
Arbeiten konnten in der gegenwärtigen Krise nicht viel mehr als einen groben Rahmen bieten. Denn für ein
gutes, reibungslos ablaufendes Krisenmanagement bedarf es vor allem vieler Erfahrungen mit
gleichartigen Krisen- und Übungssituationen und der steten Nachbesserung von Rahmenbedingungen. Im
Bereich der Feuerwehr und im Rettungswesen ist das über die Jahre immer weiter optimiert worden. Im
Falle einer Pandemie kann auf keiner Routine aufgebaut werden und das bedeutet, dass die meisten
Handelnden schlecht vorbereitet und überfordert sein werden, und dass dem Krisenmanagement Fehler
unterlaufen werden.
Ausgangspunkt einer Krisenintervention ist immer das Vorhandensein einer besonderen Gefahrenlage.
Feststellung einer besonderen Gefahrenlage (Pandemie)
Die Feststellung einer besonderen Gefahrenlage setzt nicht zwingend voraus, dass ein Schaden bereits
eingetreten ist. Im Falle einer vermuteten Pandemie wird eine Abschätzung möglicher Schäden
vorgenommen, die ohne Schutzmaßnahmen voraussichtlich eintreten würden. Diese Abschätzung muss im
Verlauf einer Pandemie laufend aktualisiert werden, weil sie zuerst lediglich eine plausible Vermutung ist.
Wenn diese Plausibilität nicht mehr gegeben ist, oder wenn eine entgegenstehende Bewertung plausibler
erscheint, oder wenn das Schadausmaß in angemessener Zeit keine außergewöhnliche Höhe erreicht, liegt
keine besondere Gefahrenlage (mehr) vor.
Schutzmaßnahmen als eigene Gefährdungsquelle – Eintritt einer Multi-Gefahrenlage
Schutzmaßnahmen können nicht beliebig präventiv eingesetzt werden, weil auch sie das Potential in sich
tragen, außergewöhnliche Schäden zu erzeugen. Es gibt in einer Pandemie also immer mindestens zwei
Gefahren, die das Krisenmanagement im Blick haben muss: gesundheitliche Schäden durch einen
Krankheitserreger, Kollateralschäden durch Nebenwirkungen der Schutzmaßnahmen oder (als Spezialfall)
einen Fehlalarm.
Aufgrund dieses Dualismus muss im Verlaufe einer Pandemie die Wahrscheinlichkeit des Eintretens von
außergewöhnlichen Schäden und die voraussichtliche Höhe des entstehenden Schadens für alle
bestehenden Gefahren simultan laufend nachgehalten werden. Die Auswertung von Daten über das
Infektionsgeschehen und die Zahl der Todesfälle reicht dazu bei weitem nicht aus. Dazu eignet sich eine
systematische Multi- Gefahrenanalyse (Kriterien für eine Multi-Gefahrenanalyse enthält die Langfassung).
Bedeutung von Kollateralschäden
Eine zentrale Erkenntnis aus allen bisherigen Studien, Übungen und Risikoanalysen ist, dass bei der
Bekämpfung einer Pandemie stets Kollateralschäden entstehen (als Auswirkungen von ergriffenen
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Schutzmaßnahmen), und dass diese Kollateralschäden einer Pandemie bedeutend größer sein können, als
der durch den Krankheitserreger erreichbare Schaden.
Ein immer in Kauf zu nehmender Kollateralschaden hat dann das beste Aufwand-Nutzen-Verhältnis, wenn
er nicht größer ist, als zur Erreichung eines Schutzziels mindestens erforderlich ist.
Er hat dann das maximal schlechteste Aufwand-Nutzen-Verhältnis, wenn sich die ursprüngliche Warnung
vor einem unbekannten Virus am Ende als übertrieben oder im Extremfall sogar als Fehlalarm herausstellt,
denn dann besteht der Gesamtschaden der Pandemie ausschließlich aus dem völlig zweckfreien
Kollateralschaden.
Perspektive
Es macht wenig Sinn und man wird einer Lösung nicht näher kommen, wenn man nur versucht, die
genauen Stationen des Versagens des Krisenmanagements minutiös nachzuvollziehen. Abhilfe wird nur
möglich sein, wenn es eine aktive Auseinandersetzung mit jenen systemischen Effekten gibt, die in ihrer
Gesamtdynamik in der Coronakrise zu einer existenziellen Schädigung des Gemeinwesens und auch der
staatlichen Ordnung führen können.
Das Krisenmanagement und der gesamte Staat sind in einer prekären Situation. Es kann zwar beim
genauen Hinsehen keinen vernünftigen Zweifel mehr daran geben,
dass die Coronawarnung ein Fehlalarm war,
dass das Krisenmanagement die Arbeit der Gefahrenabwehr suboptimal verrichtet und Fehler
gemacht hat, die einen großen Schaden verursacht haben und jeden Tag weiter verursachen
(einschließlich Todesopfer), an dem die Maßnahmen nicht ersatzlos gestrichen werden.
Da der Krisenstab und das gesamte Krisenmanagement einschließlich der Politik weitestgehend den
rechtlichen, organisatorischen und sonstigen Rahmenvorgaben entsprechend gehandelt haben, scheint für
sie zunächst jedoch wenig Anlass zu bestehen, Änderungen vorzunehmen. Alleine der in dieser Analyse
herausgearbeitete Befund wird nicht ausreichen, auch dann nicht, wenn die Ergebnisse sachlich richtig
sind und im Interesse des Landes und seiner Bevölkerung eine Umorientierung dringend geboten
erscheint. Schon eine Abstimmung der vorliegenden Analyse mit allen tangierten Stellen der
Ministerialverwaltung würde aufgrund der heterogenen Interessen und Verantwortungslage der
zahlreichen zu Beteiligenden voraussichtlich bzw. erfahrungsgemäß zu einer Nivellierung (oder zum
Aussortieren) ihres Inhaltes führen. Einen regelkonformen Totalschaden für unser Land zu vermeiden ist
vielleicht möglich, derzeit erscheint das jedoch nur mittels kreativer Informationsstrategie derer möglich,
die in der Lage wären, einen praktikablen Ausweg zu ermitteln und zu organisieren.
Eigentlich müsste jetzt eine neue Krise festgestellt und ein Krisenmanagement eingerichtet werden, um
die Gefahren eines verautomatisierten und dadurch außer Kontrolle geratenen Pandemie-
Krisenmanagements zu bekämpfen. Das wäre sachgerecht. Wenn die Exekutive dies nicht aus sich heraus
schafft, gäbe es in einem Staatswesen mit Gewaltenteilung grundsätzlich Korrekturmöglichkeiten:
- a) Die gesetzgebende Gewalt (die Parlamente von Bund und Ländern) könnten die gesetzlichen
Rahmenbedingungen ändern und so die Exekutive veranlassen (zwingen), das Krisenmanagement
anders als bisher zu betreiben. Die Legislative hat in den vergangenen Wochen bewiesen, dass sie
kurzfristig Beschlüsse fassen kann.
- b) Die Rechtsprechung könnte eingreifen. Die Verfassungsgerichte von Bund und Ländern haben die
Anordnung extremer Beschränkungen elementarer und konstitutioneller Rechte in DEU durch die
Regierungschefs aufgrund einer vermeintlichen außerordentlichen Bedrohung durch einen
gefährlichen Virus für rechtmäßig erachtet. Sie haben jeder grundlegenden Beschwerde, Klage und
jedem Widerstand die Legalität und Legitimität abgesprochen. Bisher taten sie das, ohne eine
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vertiefte Plausibilitätsprüfung durchzuführen. Eine solche ist, wie ich aufgezeigt habe, möglich und
würde den Irrtum entlarven.
- c) Grundsätzlich könnten auch die großen elektronischen Massenmedien und die überregionalen
Leitmedien ein Korrektiv bilden. Dass dies faktisch nicht geschieht, muss zwei Überlegungen
provozieren: Die Rahmenbedingungen für Medien sind suboptimal, sie erschweren offenkundig
faktisch die ursprünglich beabsichtigte Meinungsvielfalt in unserem Lande. Die dabei eingetretene
relative Einheitlichkeit orientiert sich nicht etwa an oppositionellen Meinungen und Richtungen
(das könnte theoretisch indirekt einen leicht systemdestabilisierenden Effekt haben) sondern an
etablierten Politikrichtungen, insbesondere an den Intentionen von Regierungen (damit würden
bestehende Regierungen indirekt stabilisiert und gegenüber einer Opposition abgeschirmt, auch in
dem Fall, dass sich ein konkretes Regierungshandeln z.B. aufgrund eines sachlichen Irrtums gegen
die existenziellen Interessen des Landes richtet). Die Leitmedien und vor allem die öffentlich
Rechtlichen scheinen sich offenbar überwiegend als Überträger der als gemeinsam angesehenen
Grundpositionierungen der dominierenden politischen Richtung auf die Bevölkerung zu sehen.
Überblick über die gesundheitlichen Auswirkungen (Schäden) der staatlicherseits
verfügten Maßnahmen und Beschränkungen in der Coronakrise 2020
(Stand: 7. Mai 2020 fin)
Methodische Vorbemerkungen
Aufgeführt sind Risiken, die heute von 10 hochrangigen Experten/Wissenschaftler der jeweiligen
Fachrichtungen für grundsätzlich plausibel gehalten worden sind. Die Auswahl der Experten
erfolgte zufällig, das Ergebnis kann daher nicht repräsentativ sein.
Wichtig für die künftige systematische Erfassung von gesundheitlichen Kollateralschäden in der
Pandemie ist, mindestens Spezialisten der hier einbezogenen wissenschaftlichen Disziplinen zu
konsultieren. Anders ist eine realistische Gesamt-Bestandsaufnahme nicht möglich.
- Todesfälle
- Aufgrund Einschränkungen der Klinikverfügbarkeiten (und
Behandlungsmöglichkeiten) verschobene oder abgesagte Operationen:
Über alles betrachtet hatten wir im Jahr 2018 insgesamt ca. 17 Mio vollstationärer
Patienten mit OPs. Das sind im Schnitt 1,4 Mio Patienten pro Monat. Im März und
April wurden 90% aller notwendiger OPs verschoben bzw. nicht durchgeführt. Das
heißt 2,5 Mio Menschen wurden in Folge der Regierungsmaßnahmen nicht versorgt.
Also 2,5 Mio Patienten wurden in März und April 2020 nicht operiert, obwohl dies
nötig gewesen wäre. Die voraussichtliche Sterberate lässt sich nicht seriös
einzuschätzen; Vermutungen von Experten gehen von Zahlen zwischen unter 5.000
und bis zu 125.000 Patienten aus, die aufgrund der verschobenen OPs versterben
werden/schon verstarben.
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- Aufgrund Einschränkungen der Klinikverfügbarkeiten (und
Behandlungsmöglichkeiten) verschobene oder abgesagte Folgebehandlungen
von (z.B. an Krebs, Schlaganfall oder Herzinfarkt) Erkrankten:
Die negativen Wirkungen von unterbrochenen Versorgungsstrukturen bei
Tumorpatienten, seien es Krebsnachsorge oder auch unterbrochene
Krebsvorsorgeprogramme, wie beim Brustkrebs, liegen auf der Hand, denn diese
Maßnahmen haben ja ihren Nutzen in langen Studien belegt und sind auf dieser
Basis eingerichtet worden.
Es ist auch hier von jährlichen Behandlungszahlen in Millionenhöhe auszugehen. In
einem Teil der Fälle werden die Verfügbarkeitseinschränkungen der Kliniken
ebenfalls zum vorzeitigen Versterben von Patienten führen. Eine Prognose dieses
Effekts ist schwierig. Experten, die sich dazu äußerten, gingen von bis zu mehreren
tausend zusätzlichen Toten aus, die bereits in März und April 2020 verstarben oder
noch versterben werden.
- Bei der Versorgung von Pflegebedürftigen (in DEU insgesamt 3,5 Mio. Menschen)
sinkt aufgrund von staatlich verfügten Beschränkungen das Versorgungsniveau und
die Versorgungsqualität (in Pflegeeinrichtungen, bei ambulanten Pflegediensten
sowie bei privat / innerfamiliär durchgeführter Pflege). Da erwiesenermaßen das
gute Pflegeniveau in DEU viele Menschen vor dem vorzeitigen Versterben bewahrt
(das ist der Grund dafür, dass dafür so viel Geld aufgewendet wird), wird die im
März und April 2020 erzwungene Niveauabsenkung vorzeitige Todesfällen
ausgelöst haben. Bei 3,5 Mio. Pflegebedürftigen würde eine zusätzliche Todesrate
von einem Zehntel Prozent zusätzliche 3.500 Tote ausmachen. Ob es mehr oder
weniger sind, ist mangels genauerer Schätzungen nicht bekannt.
- Zunahmen von Suiziden (bisher durchschn. 9.000 pro Jahr); Gründe für die
Zunahme von Suiziden: langeandauernde erhebliche Beeinträchtigung aller
Lebensbedingungen, die für psychisch instabile Persönlichkeiten kritisch werden
können; aber auch mit zahlreichen Suiziden als Reaktion auf die wirtschaftliche
Vernichtung von Existenzen ist zu rechnen; diverse Berufsgruppen, die sich ihrer
Belastung durch die gesellschaftlichen und persönlichen Veränderungen und ihrer
persönlichen (Mit)Verantwortung nicht gewachsen fühlen.
- Zusätzliche Todesfälle durch Herzinfarkt und Schlaganfall
Über die letzten Jahre und Jahrzehnte wurden integrierte Konzepte entwickelt, die
erfolgreich die Morbidität und Mortalität beeinflusst haben und darauf beruhen, dass
möglichst frühzeitig (im Krankheitsverlauf), möglichst rasch (Zeit bis zur Versorgung)
und möglichst kompetent eine Versorgung erfolgt. Diese inter-sektoralen/-
disziplinären Ketten sind in vielfacher Weise geschädigt (ambulante Versorgung,
Ressourcenentzug) und leiden auch maximal darunter, dass bedingt durch
einseitige und übertriebene Informationspolitik die Betroffenen unberechtigter Weise
Corona mehr als diese Erkrankungen fürchten und Warnzeichen unterdrücken und
auch befürchten mit diesen Erkrankungen in der derzeitigen Corona-Fixierung im
Krankenhaus nicht gut behandelt zu werden. In Konsequenz suchen derzeit viele
Betroffene nicht/zu spät den Arzt auf, was bei diesen Erkrankungen erhöhte
Morbidität, verschlechterte Rehabilitation und erhöhte Mortalität bedeutet.
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- sonstige gesundheitliche Schäden (verbunden mit Leid der Betroffenen und hohem
Kosteneffekt für die sozialen Sicherungssysteme, das Gesundheitssystem und den
Arbeitsmarkt)
- a) besonders in ihren Kontakten reduzierte alte/pflegebedürftige Menschen sind von
den Maßnahmen betroffen und leiden vielfach stark unter ihnen. Teils
beeinträchtigen die getroffenen Maßnahmen (Grenzschließungen,
Quarantäneregelungen, Kontaktverbote, etc.) die schon vorher kritische
ambulante/stationäre Betreuungssituation negativ (damit auch die optimale
Versorgung in Bezug auf Corona)
- b) behandlungsbedürftige (schwerere) Psychosen, Neurosen (Ängste,
Zwangsstörungen, ..) aufgrund von langeandauernde erhebliche Beeinträchtigung
aller Lebensbedingungen, die für psychisch instabile Persönlichkeiten
Krankheitszustände auslösen werden; es sind langjährige medizinische
Behandlungen und Rehabilitationsleistungen zur Kompensation dieser
Beeinträchtigungen nötig, es kommt zu gesundheitsbedingten Arbeitsausfällen. 1 bis
2% der deutschen Gesamtbevölkerung erleben mindestens einmal im Leben eine
Psychose. Wenn eine Disposition oder Anfälligkeit vorliegt, besteht eine erhöhte
Wahrscheinlichkeit, dass sich dies unter den Rahmenbedingungen der Coronakrise
manifestiert.
- c) mehr Streitigkeiten und Körperverletzungen in Folge von starken
Kontaktbegrenzungen und Kontaktverbote; Häusliche Gewalt, Kindesmissbrauch
- d) verbreitete Kommunikationsstörungen (durch psychische Effekte, s.o., und auch z.B.
durch den Zwang zur Tragen von Gesichtsmasken, durch die Gestik und Mimik als
Kommunikationsmittel stark eingeschränkt sind (führt zu Missverständnissen,
Misstrauen, L)
- b) (abhängig von der wirtschaftlichen/volkswirtschaftlichen Entwicklung:) Verlust an
Lebenserwartung. Dies dürfte langfristig zu einem größeren Schaden der Krise werden.
Seit den 50er Jahren hat DEU aufgrund positiver volkswirtschaftlicher Entwicklung eine
starke Erhöhung der Lebenserwartung realisiert (um 13 bis 14 Jahre längere
durchschnittliche Lebenszeit). Das permanent gestiegene Wohlstandsniveau ermöglichte
u.a. zunehmend aufwendige Gesundheitsvorsorge und Pflege. Bei stark negativer
wirtschaftlicher Entwicklung und einer entsprechenden Reduktion des Wohlstandsniveaus
geht die Entwicklung in die entgegen gesetzte Richtung: die Lebenserwartung wird sinken.
(Das RKI hat nachgewiesen, dass hohe Arbeitslosigkeit die Lebenserwartung senkt.) Bei
über 80 Mio. Einwohnern kann durch staatliche Schutzmaßnahmen (nicht durch den Virus)
ein entsprechend hohes Volumen an Lebensjahren der Bevölkerung vernichtet worden
sein.
Den meisten o.g. Effekten ist gemeinsam, dass es auch nach Aufhebung der Beschränkungen
sehr lange dauern wird, bis diese Maßnahmen und Behandlungen wieder auf Vorniveau laufen,
da hier alle ineinandergreifenden Glieder wieder funktionsfähig sein müssen, die Ressourcen
wieder (rück-)alloziert werden müssen und auch das Vertrauen der Patienten wiederhergestellt
werden muss. Im Übrigen kann es teilweise gegenläufige, auf den ersten Blick paradoxe
Reaktionen, gebenDie Schädigungsphase wird daher voraussichtlich wesentlich länger andauern
als die eigentliche Unterbrechung. Bei einer künftig verkürzten Lebenserwartung setzt der
Schaden sogar erst in der Zukunft ein.
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Da theoretisch, zumindest partiell, auch mit gegenläufigen Effekten gerechnet werden muss –
also mit auf den ersten Blick paradoxen Reaktionen – , ist von genaueren zahlenmäßigen
Schätzungen von zu erwartenden Schadfällen abgesehen worden. Mit den genannten Zahlen
werden Größendimensionen aufgezeigt.
Schlussbemerkungen
Es gibt zwei bedeutende Gründe dafür, dass diese Informationen ohne vorherige Konsultation anderer
zuständiger Stellen direkt versendet werden:
- Es ist Gefahr im Verzug! Durch vermeintliche Schutzmaßnahmen entstehen im Moment jeden Tag
weitere schwere Schäden, materielle und gesundheitliche bis hin zu einer großen Zahl von
vermeidbaren Todesfällen. Diese Todesfälle werden durch das Agieren des Krisenmanagements
ausgelöst und sind von diesem zu verantworten sobald das Wissen über die in der hiermit
übermittelten Analyse behandelten Sachverhalte vorliegt – auch von dem Absender dieser
Informationen, der Teil des Krisenmanagements ist. Abhilfe ist nur möglich, wenn das vorhandene
Wissen weitergegeben und zur Kenntnis genommen wird. Alle Möglichkeiten vorgelagerter
Intervention wurden vom Absender ausgeschöpft.
- Angesichts des sachlichen Befunds der vorliegenden Analyse und der dazu im Kontrast stehenden
Entscheidungen der Politik, kann bei geschädigten Außenstehenden möglicherweise die
Befürchtung aufkommen, dass das bestimmende Schutzziel des nationalen Krisenmanagements
nicht mehr die Sicherheit und Gesundheit der Bevölkerung ist, sondern die Glaubwürdigkeit und
Akzeptanz von Regierungsparteien und Regierungsmitgliedern. Aus derartigen Wahrnehmungen,
die nicht per se irrational sind, kann in einem auf Zusammenhalt angelegten Gemeinwesen eine
ungünstige Dynamik erwachsen, die vor allem mit rationalen Folgeentscheidungen durch
Krisenmanagement und Politik – auf der Basis vollständiger Analysen – gut begrenzt werden kann.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 1 von 83
KM 4 – 51000/29#2 25. April 2020/ 7. Mai 2020
Version: 2.0.1
A U S W E R T U N G S B E R I C H T
des Referats KM 4 (BMI)
Coronakrise 2020 aus Sicht des
Schutzes Kritischer Infrastrukturen
Auswertung der bisherigen Bewältigungsstrategie und Handlungsempfehlungen
Folgende Prämissen liegen meiner Arbeit zu Grunde:
- Handlungsleitend und Grundlage von Entscheidungen sollten wahrheitsgemäße,
fundierte Sachverhaltsbeschreibungen sein.
- Das Handeln von verantwortlichen Menschen sollte rational sein
- Die in demokratischen Wahlen bestimmten Regierungen (Exekutive) auf den Ebenen
Bund, Land und Kommune, haben als höchstes Ziel, die materiellen und ideellen
Interessen der Bevölkerung zu wahren, zu schützen, zu garantieren.
– erstellt von ?????????????–
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 2 von 83
- Vorwort
Die erst wenige Wochen alte Coronakrise dürfte zu den größten Herausforderungen gehören,
mit denen unser Land es je zu tun hatte. Die Krisenstäbe, und das Krisenmanagement als
Ganzes, leisten mit hohem persönlichem Einsatz eine extrem wichtige und zugleich die
schwierigste Arbeit, die man sich vorstellen kann. Das Krisenmanagement entscheidet
faktisch über Leben und Tod. Es bestimmt mit seinen Entscheidungen, wem unsere
Gesellschaft eine Überlebenschance gibt, und wen sie sterben lässt. Jeden Tag aufs Neue.
Für wen werden welche Behandlungsmöglichkeiten reserviert und wem wird die Behandlung
wie z.B. eine geplante wichtige OP versagt. Weitere Werte unserer Gesellschaft sind bedroht,
materielle (zu denen die Gesundheit gehört) wie ideelle. Auch ein Gemeinwesen kann
„sterben“.
Entscheidungen zu treffen ist unvermeidbar. Ich möchte mit meiner Arbeit einen Beitrag dazu
leisten, dass die Abwägungsprozesse so professionell wie möglich erfolgen können.
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- Einführung
1.1 Aufgaben und Arbeitsweise des Referats KM 4:
Referat KM 4 hat den Auftrag (Anlage 1), sich eine eigene Bewertungskompetenz zum
KRITIS-Schutz aufzubauen und auf dieser Basis Stellungnahmen eigeninitiativ und in
Beteiligungsverfahren abzugeben. Dies ist eine solche Stellungnahme.
KM 4 soll weiterhin auf die Konsistenz des KRITIS-Schutzes, die sich vor allem wegen
vielfacher Interdependenzen der Sektoren ergeben, hinwirken. Das ist ein Schwerpunkt der
vorliegenden Ausarbeitung. Für entsprechende Konzepte und Strategien hat, solange nicht
ausschließlich IT-Belange berührt sind, KM 4 im Hause die Federführung und arbeitet eng
zusammen mit: den Bundesressorts, den Bundesländern, der EU, KRITIS-Betreibern,
Verbänden sowie sonstigen betroffenen Institutionen, und kümmert sich um supra- und
internationale Angelegenheiten. KM 4 bedient sich u.a. der Zuarbeit des BBKs, über das KM
4 zu allen Angelegenheiten im KRITIS-Kontext die Fachaufsicht ausübt. Für die Erstellung
dieses Berichts wurden vielfältige Kontakte zu den genannten Stellen aktiviert. Der
Gesamttext ist jedoch nicht abstimmt, sondern wird als eigenständige Expertise mit
Empfehlungen vorgelegt.
1.2 Warum diese Auswertung?
Große Katastrophen wie die einer Pandemie treten sehr selten ein. Die Behörden, die für die
Bewältigung von Krisen zuständig sind, üben zwar regelmäßig verschiedene
Gefährdungsszenarien, unter anderem auch den Fall einer Pandemie, aber sie können
alleine dadurch keine ausreichende Erfahrung sammeln, um in einer real eintretenden Lage
routiniert agieren zu können. In der akuten Krise nutzen sie bestehende Strukturen, Prozesse
und im Vorhinein (teils gesetzlich) festgelegte Verfahren, die in der Vergangenheit nach jeder
der wenigen Übungen optimiert wurden. Der Rest wird improvisiert.
Die aktuelle Coronakrise zeichnet sich durch eine doppelte Gefährdungslage für unsere
Gesellschaft und ihre Kritischen Infrastrukturen aus:
zeitlicher Beginn Gegenstand der Gefahr Risikopotential für KRITIS
Ende 2019 gesundheitliche Gefahren durch den neuen
Coronavirus (Covid-19, SARS-CoV-2)
(Gesundheitskrise); u.a. Risiken für die Versorgung
mit kritischen Dienstleistungen ?
seit etwa Mitte
März 2020
multiple Gefahren unterschiedlicher Art, die durch
Maßnahmen, die zum Schutz vor den
gesundheitlichen Gefahren ergriffen wurden,
ausgelöst werden (Wirtschafts- und
Gesellschaftskrise); u.a. Risiken für die Versorgung
mit kritischen Dienstleistungen
?
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 4 von 83
Die beiden Gefahrenlagen gehen ohne zeitliche Unterbrechung in einander über. Für eine
ausführliche und systematische Auswertung des bisherigen Krisenmanagements haben die
operativ darin agierenden Organisationseinheiten und Beschäftigten daher keine Gelegenheit
und Zeit. Alleine dieser Sachverhalt schafft neue Risiken und Gefahren. Der hier vorgelegte
Bericht soll Abhilfe schaffen. Er betrachtet die Lage aus der Perspektive des strategischen
Schutzes Kritischer Infrastrukturen.
Es handelt sich ausdrücklich nicht um ein Produkt für die Öffentlichkeitsarbeit, sondern um
einen internen Bericht, der keinen anderen Zweck verfolgt, als einen fachlich fundierten
Impuls zur Optimierung des Krisenmanagements und zur Maßnahmenplanung zu leisten.
Dieser Bericht ist schonungslos offen – aufgrund seiner Dringlichkeit musste darauf verzichtet
werden, die Inhalte in schönere Worte zu verpacken. Die Leser mögen den direkten Stil
nachsehen und sich vor allem des inhaltlichen Kerns dieser Arbeit bedienen.
Sofern interne Arbeitsprozess reflektiert werden, geschieht das ausschließlich unter streng
fachlichen Aspekten.
1.3 Wen und was meine ich mit „Krisenmanagement“ in diesem Bericht?
In technisch-organisatorischer Hinsicht besteht das Krisenmanagement aus den
professionellen Lagedienste und Krisenstäbe sowie die ihnen zuarbeitenden Stellen – jeweils
beim Bund und in den Bundesländern. Die wichtigsten und auswirkungsstärksten
Entscheidungen werden auf der Ebene von Behördenleitungen und der politischen Leitung
der Ministerien getroffen. Daher gehören auch diese Akteure zum Krisenmanagement. Die
erste Gruppe bildet das operative Krisenmanagement, die zweite das strategische.
Die Beziehungen dieser beiden System-Komponenten untereinander müssen untersucht und,
wie sich zeigt, verbessert werden. Nicht nur zur Verbesserung der Ausgangslage in
zukünftigen Lagen, sondern – ganz besonders dringend – noch jetzt, mitten in der Corona-
Krise. Suboptimale Verfahren im Zusammenspiel von operativem und strategischem
Krisenmanagement können zu schwerwiegenden Fehlleistungen führen und für unsere
Gesellschaft ruinöse Schäden auslösen. Solche, sich derzeit abzeichnende Schäden stehen
nicht mehr im Entferntesten mit den möglichen gesellschaftlichen Schäden durch den Covid-
19 Virus in einem annehmbaren Verhältnis, sie werde diese um ein Vielfaches übertreffen.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 5 von 83
1.4 Der Schutz Kritischer Infrastrukturen
Beim Schutz Kritischer Infrastrukturen geht es außerhalb von Krisenzeiten – also fast immer –
um Maßnahmen, mit denen eine Gesellschaft sich vor möglichen Gefahren präventiv
schützen will, oder wie beim Eintreten einer Gefahr, der Schaden möglichst gering gehalten
werden soll. Um diese Ziele zu erreichen wird versucht, auf der Basis vorheriger
Gefährdungs- und Risikoanalysen, ein höheres Schutzniveau Kritischer Infrastrukturen
aufzubauen und/oder die gesellschaftliche (System-)Resilienz so zu erhöhen, dass das
gesellschaftliche Gesamtsystem – einschließlich seiner Kritischen Infrastrukturen – weniger
anfällig und insgesamt weniger verletzlich durch eine Störung oder auch den Ausfall einzelner
Kritischer Infrastrukturen ist.
Der Schutz Kritischer Infrastrukturen ist aus verschiedenen Gründen eine anspruchsvolle
Aufgabe:
Es muss mit einer sehr großen Zahl potentieller Gefahren umgegangen werden, deren
Eintritt zwar in den meisten Fällen (zu denen Szenarien gebildet werden können)
relativ klein ist, die jedoch trotz geringer Wahrscheinlichkeit grundsätzlich jederzeit
eintreten können. Also auch mit einem Schaden, der statistisch nur alle 100.000 Jahre
eintritt, könnten wir schon morgen konfrontiert sein.
Die Kritischen Infrastrukturen moderner und erfolgreicher Gesellschaften sind
hochkomplexe Systeme von großer Interdependenz ihrer Teilfunktionen. Ein
schwerwiegendes Problem in einem einzigen Teilsystem kann zu einem existenziellen
Problem des gesamten Clusters Kritischer Infrastrukturen führen (besonders
anschaulich im Szenario des Strom-Blackouts oder beim Ausfall des Internets).
Die für den Schutz Kritischer Infrastrukturen einsetzten Ressourcen sind naturgemäß
begrenzt, der Gegenwert für Aufwendungen ist nicht sichtbar. Sichtbar und erfahrbar
wird jedoch ein Schaden, der eintritt, wenn der Schutz vernachlässigt wurde. Die
Entscheidung für oder gegen zusätzliche Schutzmaßnahmen erfolgen meist aus
Zielkonflikten heraus (z.B.: Preis des betroffenen Produktes oder Dienstleistung
soll/muss gering sein, entgegengesetzte Interessen werden als prioritär angesehen,
etc.).
Aufgrund dieser Besonderheiten kann sich auch die deutsche Gesellschaft nicht auf jede
Eventualität vorbereiten, es bleiben stets Restrisiken. Restrisiken sind Risiken, auf die wir
uns nicht vorbereitet haben und auch nicht vorbereiten werden – z.B. weil das nicht möglich
ist, oder weil es nicht verhältnismäßig erscheint. Die Einschätzung der Verhältnismäßigkeit
nimmt die Gesellschaft explizit vor (indem die vom Volk gewählten Politiker ihrer
Einschätzung gemäß handeln oder ausdrücklich nicht handeln) oder implizit (indem keine
Initiative erfolgt, sich handlungsorientiert mit bestimmten Risiken auseinanderzusetzen).
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 6 von 83
Dass Restrisiken verbleiben, ist weder gut noch schlecht, es ist unvermeidbar. Es lohnt nicht,
damit zu hadern.
Gerade weil es ohnehin immer Restrisiken geben wird, kommt es sehr darauf an, die für den
KRITIS-Schutz verfügbaren Ressourcen effektiv und effizient einzusetzen, und vor allem: bei
der Einschätzung von Gefahren ganz besonders sorgfältig zu arbeiten. Dieses Motiv ist der
rote Faden durch dieses Papier.
1.5 Referat KM4 als Ressource bei der Krisenbewältigung
In der Krise hat der Schutz Kritischer Infrastrukturen zwei Hauptaufgaben. Die eine besteht
darin, den Schutz Kritischer Infrastrukturen operativ zu unterstützen (Einbringen der eigenen
Expertise und Netzwerke ins Krisenmanagement, Monitoring des Status Quo‘s Kritischer
Infrastrukturen, methodische Beratung). Die andere, die strategische Aufgabe der KRITISSchützer
besteht in der Krisensituation darin, die Auswirkungen der jeweiligen Krise auf
das generelle Sicherheitsniveau Kritischer Infrastrukturen und auf das Resilienzniveau
unserer Gesellschaft zu analysieren und zu bewerten, und in das Krisenmanagement
einfließen zu lassen. Diese strategische Perspektive wird in diesem Papier behandelt.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 7 von 83
- Wie waren das BMI (und die BReg) auf die Krisensituation
vorbereitet?
Eine Pandemie wurde in der Vergangenheit mehrfach durch Bundesbehörden geübt und es
gibt zahlreiche Empfehlungen für das Krisenmanagement in einer Pandemie, die sich
einerseits aus den Erfahrungen mit den Übungen speisen, aber auch Ergebnis von
Expertisen sind, die in den letzten Jahren im BMI mit seinen nachgeordneten Behörden unter
Einbeziehung weiterer Fachleute (u.a. des RKI) erarbeitet wurden. In diesem Kapitel werden
zunächst grundlegende Vorarbeiten ausgewertet und anschließend die Lükex-Übung 2007
und die Risikoanalyse aus 2012, den die BReg 2013 dem Parlament vorgelegte.
2.1 Hinweise und Warnungen in früheren Arbeiten zum
Bevölkerungsschutz
Dem BMI war in einer Expertise der im eigenen Geschäftsbereich angesiedelten
Schutzkommission (zwischenzeitlich aufgelöst) bereits 2006 mitgeteilt worden, dass in einer
Virus-Pandemie von den Schutzmaßnahmen eine größere Gefahr für die Bevölkerung
ausgehen kann, als durch die Erkrankung selbst. Das war noch nicht einmal auf eine
Wirtschaftskrise gemünzt, sondern explizit auf Kritische Infrastrukturen.
Zitat: „In diesem Zusammenhang wird auch die Planung von Maßnahmen zur
Abschwächung von Kollateraleffekten auf die Infrastruktur dringend
empfohlen, da hierdurch (etwa durch Ausfälle des Transports, der
Lebensmittel- oder Energieversorgung) eine größere Gefährdung der
Bevölkerung ausgehen kann als durch die Influenza selbst.“
Quelle: 25. September 2006 Zwischenbericht: Schutz der Bevölkerung vor neu auftretenden
Influenza-Viren, Schutzkommission beim Bundesminister des Innern, Arbeitsgruppe
biologische Gefahren
https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/BBK/DE/Downloads/Schuko/Teilbericht_Influenza_05
a.pdf?__blob=publicationFile
Dass die Pandemieplanung darauf ausgerichtet sein muss, die Gefährlichkeit sorgfältig
abzuschätzen und mit den Gefahren, die von Schutzmaßnahmen ausgehen können
abzugleichen, ergibt sich u.a. aus einer zweiten Aussage der gleichen Expertise. Diese
Empfehlung wurde nicht ausreichend beachtet.
Zitat: „Zuvorderst erforderlich ist eine Modifikation der Pandemieplanung
unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich Influenza-Pandemieviren in
ihrer Gefährlichkeit (Pathogenität) erheblich unterscheiden. Für ein Worstcase-
Szenario nach dem Vorbild der „Spanischen Grippe“ von 1918
existieren bisher keine adäquaten Planungen.“
Quelle: 25. September 2006 Zwischenbericht: Schutz der Bevölkerung vor neu auftretenden
Influenza-Viren, Schutzkommission beim Bundesminister des Innern, Arbeitsgruppe
biologische Gefahren
https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/BBK/DE/Downloads/Schuko/Teilbericht_Influenza_05
a.pdf?__blob=publicationFile
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 8 von 83
Für den Fall, dass die von Bevölkerungsschutzbehörden bereits seit Jahren erwartete
Pandemie ausbrechen würde, hätten u.a. präventiv spezielle Schwerpunktkliniken
eingerichtet werden sollen. Diese Empfehlung wurde offenbar nicht umgesetzt. Wir erleben
heute in fataler Weise die Auswirkungen davon, dass man an dieser Stelle meinte sparen zu
müssen. Die Zahl der Krankenhäuser ist in DEU in den letzten Jahren um 20 Prozent
gesunken.
Zitat: „Die Umsetzung der im Nationalen Pandemieplan empfohlenen
Maßnahmen kommt nach Ansicht der Arbeitsgruppe auf Länderebene
teilweise zu langsam voran und ist nicht vollständig. Nur wenige
Bundesländer haben ihre Pandemiepläne weitgehend fertig gestellt. Die
dringend empfohlene Einrichtung von Schwerpunktklinken wurde aus
Kostengründen kaum realisiert. Auch die Beschaffung von erforderlicher
Ausstattung sowie Ausbildung und Übung sind auf der operativen Ebene
nicht genügend realisiert. Wir empfehlen daher, die Pandemiepläne der
Länder eilig fertig zu stellen und die Vorgaben des Nationalen
Pandemieplanes umzusetzen.“
Quelle: 25. September 2006 Zwischenbericht: Schutz der Bevölkerung vor neu auftretenden
Influenza-Viren, Schutzkommission beim Bundesminister des Innern, Arbeitsgruppe
biologische Gefahren
https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/BBK/DE/Downloads/Schuko/Teilbericht_Influenza_05
a.pdf?__blob=publicationFile
Nicht einmal die Mitarbeiter des Krisenstabs wurden in der Coronakrise 2020 systematisch
gegen alle auch nur entfernt ähnlichen Erkrankungen geimpft. Auch das war eine empfohlene
Maßnahme des gleichen Schutzkommission-Berichts. Zwar kann mit so einer Maßnahme
bestenfalls eine Teilimmunität erreicht werden, aber auch die könnte möglicherweise für
einen betroffenen Mitarbeiter über Leben und Tod entscheiden – und für den Dienstherrn die
Verfügbarkeit oder nicht-Verfügbarkeit eines für das Krisenmanagement dringend benötigten
Personalressource bedeuten.
Zitat: „Da bei einer eventuellen Anpassung des gegenwärtig grassierenden
Vogelgrippevirus H5N1 an den Menschen eine besonders schwere
Pandemie zu erwarten ist, empfiehlt die Arbeitsgruppe die umgehende
Bestellung einer geringen Menge humanen Impfstoffs gegen H5N1 (ca. 2-
4 Mio. Dosen), um ggf. für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur
unverzichtbare Personen schützen zu können. Auch bei einem eventuellen
genetischen Drift der H5N1 Variante Typ Asia wird dieser Impfstoff
wahrscheinlich zumindest eine Teilimmunität verleihen.“
Quelle: 25. September 2006 Zwischenbericht: Schutz der Bevölkerung vor neu auftretenden
Influenza-Viren, Schutzkommission beim Bundesminister des Innern, Arbeitsgruppe
biologische Gefahren
https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/BBK/DE/Downloads/Schuko/Teilbericht_Influenza_05
a.pdf?__blob=publicationFile
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 9 von 83
In einer anderen Stellungnahme der Schutzkommission (zu Ebola, aus 2014) wurde darauf
hingewiesen, dass von wirksamen Maßnahmen zum Schutz vor epidemischen Krankheiten
Gefahren für unsere Gesellschaft ausgehen, die beachtet werden müssen. Auch hier werden
ausdrücklich die Kritischen Infrastrukturen adressiert, sowie wirtschaftliche Risiken, die in
DEU (im Gegensatz zu anderen OECD-Ländern wie z.B. die USA) nicht als KRITIS behandelt
werden. – Dieser Aspekt sollte bei der Weiterentwicklung der nationalen KRITIS-Strategie
Deutschlands unbedingt einbezogen werden.
Zitat: „Im Extremfall können irrationale Ängste dazu führen, dass Teile der
Bevölkerung jeden Kontakt mit Fremden meiden und sich von
vermeintlich gefährlichen Ansammlungen fernhalten. In der Folge sind
Arbeitsausfälle und – wenn kritische Dienste, Versorgung
oder Infrastruktur betroffen sind – auch Störungen des öffentlichen
Lebens in Betracht zu ziehen.
Aus diesen Gründen könnten einzelne Ebola-Fälle, obgleich sie in
Deutschland für das Gesundheitssystem gut beherrschbar wären, mit
erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Risiken verbunden sein.“
(letzte Hervorhebung wie im Original)
Quelle: 15. Oktober 2014, STELLUNGNAHME der Schutzkommission beim Bundesministers des
Innern, Die Ebola-Epidemie in Westafrika: Gefährdungspotenzial und
Handlungsempfehlungen, Seiten 5-6
https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/BBK/DE/Downloads/Schuko/Stellungnahme_Ebola.p
df?__blob=publicationFile
In der gegenwärtigen Krise wurde vielfach das Agieren anderer Staaten als Vorbild oder
Muster herangezogen, obwohl wesentliche Rahmenbedingungen nicht vergleichbar sind.
DEU verfügt über eine sehr viel bessere Gesundheitsinfrastruktur als die meisten anderen
Länder und hat insbesondere höhere Behandlungskapazitäten für hoch ansteckende,
lebensbedrohliche Erkrankungen als jeder andere Industriestaat. Auch die Datenlage, die für
die Ermittlung des Gefährdungspotentials wichtig ist, ist in DEU vergleichsweise umfangreich
und detailliert.
Zitat: „Die Behandlungskapazitäten für hoch ansteckende, lebensbedrohliche
Erkrankungen sind höher als in jedem anderen Industriestaat.“
Quelle: 15. Oktober 2014, STELLUNGNAHME der Schutzkommission beim Bundesministers des
Innern, Die Ebola-Epidemie in Westafrika: Gefährdungspotenzial und
Handlungsempfehlungen, Seite 6
https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/BBK/DE/Downloads/Schuko/Stellungnahme_Ebola.p
df?__blob=publicationFile
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 10 von 83
Die Schutzkommission hatte 2014 ausdrücklich empfohlen, im Krisenfall ein wissenschaftlich
begründetes, optimiertes Sicherheitskonzept zu erstellen.
Zitat: „13. Erstellung eines wissenschaftlich begründeten, optimierten
Sicherheitskonzeptes für in das Epidemiegebiet entsandte Helfer
(Infektionsschutz unter Feldbedingungen, ärztliche Betreuung vor
Ort, Rückholung im Infektionsfall usw.). Dies ist die einzige effektive
Maßnahme, mit der präventiv der Import von Ebola-Infektionen
verhindert werden kann.“
Quelle: 15. Oktober 2014, STELLUNGNAHME der Schutzkommission beim Bundesministers des
Innern, Die Ebola-Epidemie in Westafrika: Gefährdungspotenzial und
Handlungsempfehlungen, Seite 8
https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/BBK/DE/Downloads/Schuko/Stellungnahme_Ebola.p
df?__blob=publicationFile
Ein Sicherheitskonzept erfüllt nicht alleine dadurch die wissenschaftliche Begründetheit, dass
Wissenschaftler einbezogen wurden. Denn die Wissenschaft als Gesamtkonzept zeichnet
sich vielfach durch heterogene Theorienbildung, Meinungen und Einschätzungen von
Wissenschaftlern aus. Das bedeutet einerseits, dass man für nahezu jede Aussage eine
bestätigende wissenschaftliche Meinungs-Aussage (Expertise) erhalten kann, aus einer
Meinung von Wissenschaftlern also kein Anspruch auf Wahrheit ableitbar ist. Von
größtmöglicher Wahrheit kann man alleine bei Aussagen ausgehen, zu denen es einen
vollständigen Konsens gibt, weil sie bewiesen worden sind, und sich dieser Beweis jederzeit
überprüfen lässt.
Bei präventiven Maßnahmen ist es sinnvoll, mögliche Risiken nach folgender Definition zu
beschreiben:
Zitat: „Im Rahmen einer Risikobewertung bedeutet der Begriff „Risiko“
das Potenzial eines Ereignisses, die öffentliche Gesundheit zu
beeinträchtigen, basierend auf der Wahrscheinlichkeit seines
Eintretens und dem Ausmaß seiner Auswirkungen.“
Quelle: Oktober 2019, RKI: RAHMENKONZEPT MIT HINWEISEN FÜR MEDIZINISCHES FACHPERSONAL
UND DEN ÖFFENTLICHEN GESUNDHEITSDIENST IN DEUTSCHLAND, Epidemisch bedeutsame
Lagen erkennen, bewerten und gemeinsam erfolgreich bewältigen, Seite 17
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Preparedness_Response/Rahmenkonzept_Epidemis
che_bedeutsame_Lagen.pdf?__blob=publicationFile
Sinnvoll ist diese Abschätzung von Gefahren und Risiken, weil sie eine Priorisierung von
präventiven Schutzmaßnahmen ermöglicht.
Wenn es, wie in der vorliegenden Krise, gleichzeitig zwei Gefahren gibt, müssen diese nach
dieser Methode miteinander verglichen werden. Die methodischen Anforderungen für den
Nachweis von Wahrscheinlichkeit des Eintretens und das Ausmaß seiner Auswirkungen
müssen identisch sein. Sonst kann man die Auswirkungen nicht vergleichen.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 11 von 83
Zu beachten ist, dass die eine der beiden gegenwärtigen Gefahren, der Corona Virus, extern
verursacht ist, und große Unsicherheiten bestehen einzuschätzen, wie die von ihm
ausgehenden Gefahren gemindert werden können, während wir die Dynamik der zweiten
gegenwärtigen Gefahr, die Wirtschafts- und Gesellschaftskrise, relativ gut kennen
(Erfahrungen mit der Finanzkrise 2009) und sie vollständig steuern können – jedenfalls
solange sie keine unkontrollierbare Eigendynamik entwickelt. Und gerade weil diese Gefahr
besteht, muss eine sehr sorgfältig und intensiv betriebene und ganzheitlich-systemisch
angelegte Gefahrenabschätzung vorgenommen werden.
Das Problem paralleler Risiken ist aus der Medizin bekannt. Wenn ein Tumor in ein
lebenswichtiges Organ eingewachsen ist, kann man ihn nicht einfach herausschneiden.
2.2 Hinweise und Warnungen in Publikationen, Broschüren und Reden
Dass die Bewertung von bundesweiten Gefährdungen („bundesweite Risikoanalyse“) noch
nicht ausreicht und dringend verbessert werden muss, ist seit über zehn Jahren bekannt.
Dieses Anliegen war bei der letzten Änderung des ZSKG (2009) noch nicht integriert worden.
2012 stellte der damalige Leiter der Katastrophenschutzabteilung des BMI fest, dass zwar
wesentliches bei der Verbesserung von Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe erreicht
sei, aber insbesondere die bundesweite Risikoanalyse noch abgearbeitet werden müsse.
„Als neue Instrumente in der Bund-Länder-Zusammenarbeit wurden das Gemeinsame
Melde- und Lagezentrum des Bundes und der Länder, die Datenbank deNIS für das
Informations- und Ressourcenmanagement, das satellitengestützte Warnsystem des
Bundes und als organisatorischer Schwer punkt das Bundesamt für
Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gegründet. Das BBK verknüpft alle
Bereiche der zivilen Sicherheitsvorsorge zu einem wirksamen Schutzsystem für die
Bevölkerung und ihre Lebensgrundlagen („Bevölkerungsschutz“) und unterstützt mit
Ausstattung und Expertise die Länder bei Großschadenslagen
(„Katastrophenhilfe“).Die großen Entscheidungen im Bevölkerungsschutz sind damit
gefallen. Die „Neue Strategie“ ist – letzter wesentlicher Schritt war das neue Gesetz
über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes im Jahr 2009 – im
Wesentlichen umgesetzt, auch wenn noch einige Punkte abzuarbeiten sind, so die
bundesweite Risikoanalyse.“ (Norbert Seitz, aus: Schriften zur Zukunft der Öffentlichen
Sicherheit, Das Undenkbare denken, Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit, 2012, ab
Seite 36)
Ebenso ist lange bekannt, dass bei Großschadenlagen wie einer Pandemie systemische
Zusammenhänge zu beachten sind.
„Wollte man versuchen Risiken und Gefahren für unsere Gesellschaft
zusammenzutragen, würde man eine Liste ganz unterschiedlicher Phänomene
zusammenstellen können, wie bereits vielfach geschehen: Ausfall kritischer
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 12 von 83
Infrastrukturen, Naturgefahren, Pandemien sowie Terrorismus und (Cyber-)
Kriminalität. Die Aufzählung ließe sich problemlos erweitern. Entscheidend ist jedoch,
dass die benannten Gefahren und Risiken etwas gemeinsam haben: Sie haben
systemischen Charakter. Nach Renn et al. beziehen sich systemische Risiken auf
„hochgradig vernetzte Problemzusammenhänge, mit schwer abschätzbaren
Breiten- und Langzeitwirkungen, deren Beschreibung, Kategorisierung und
Bewältigung mit erheblichen Wissens- und Bewertungsproblemen verbunden
sind2“ [zitiert nach Renn, Ortwin/Schweizer, Pia J./Dreyer, Marion/Klinke, Andreas
2007: Risiko. Über den gesellschaftlichen Umgang mit Risiko, München:176]“ (Marie-
Luise Beck und Dr. Lars Gerhold, FOES, Komplexität, Unsicherheit und Ambiguität –
vom mühsamen Umgang mit systemischen Risiken, aus: Schriften zur Zukunft der
Öffentlichen Sicherheit, Das Undenkbare denken, Zukunftsforum Öffentliche
Sicherheit, 2012, Seite 32)
Die Wechselwirkungen von Maßnahmen des Gesundheitsschutzes mit anderen
gesellschaftlichen Bereichen, waren anschaulich in der letzten weltweiten Krisensituation
(Finanzkrise 2009) deutlich geworden. An dieser Erkenntnis hätte das Krisenmanagement in
der Coronakrise stärker ausrichtet werden können und müssen.
„(…) Beispiel ist die derzeitige Finanzkrise, die als US-Immobilienkrise startete, auf den
Bankensektor übersprang, sich zur Staatenkrise entwickelte und derzeit wieder die
Banken in Bedrängnis zu bringen scheint. Als weitere Nebenfolgen wird der
Vertrauensverlust der Bevölkerung in das Finanz- und Wirtschaftssystem sowie ein
Legitimitätsverlust der Demokratie in den Medien diskutiert.“ (Marie-Luise Beck und
Dr. Lars Gerhold, FOES, ebd., Seite 32)
Das Krisenmanagement 2020 hat diese Wechselwirkungen nicht systematisch miterfasst und
in ihrer Wirkung nicht gegengerechnet. Durch diese arbeitstechnische Fehlleistung war es
nicht möglich, rechtzeitig zu erkennen, wann die Kollateralschäden die beabsichtigte Wirkung
überkompensieren würden.
Das BMI, das eine Grundsatzzuständigkeit für den Schutz Kritischer Infrastrukturen hat, und
diese auf ihrer Website umfassend bewirbt (siehe Screenshot in Anlage 2), hätte die
Eigenartigen von Kritischen Infrastrukturen bedenken und aktiv Überlegungen dazu in das
Krisenmanagement einbeziehen müssen.
„(…) Ursache-Wirkungs- Bezüge, die in ihren Verästelungen kaum bekannt,
geschweige denn beherrschbar sind. Ein Beispiel sind die Interdependenzen von
Kritischen Infrastrukturen und ihre kaskadierenden Effekte bei Störungen, aber
auch Infektionserkrankungen, bei denen es keinen eindeutigen Dosis-Wirkungs-
Zusammenhang gibt und wo durch unterschiedliche Inkubationszeiten die Ursache
(Ansteckung) und Auswirkung (Erkrankung) zeitlich extrem auseinander liegen kann.“
(Marie-Luise Beck und Dr. Lars Gerhold, FOES, ebd., Seite 33)
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 13 von 83
In einer Krise auf Vorgaben der EU zu warten erscheint wenig hilfreich, da dort in der Regel
ein Minimalkonsens zustande kommt, der unter manchen wichtigen deutschen Standards zu
liegen droht. Dass die europäischen Schutzmaßnahmen zu KRITIS nicht ausreichen, stellte
im Übrigen der frühere Bundesinnenminister de Maizière 2015 in einer Rede heraus.
„Auch beim Schutz kritischer Infrastrukturen, also der für unsere Gesellschaft so
bedeutsamen Einrichtungen wie Strom-, Wasser- und Energieversorgung, das Funktionieren
der Bankensysteme, der Versicherungssysteme, besteht auch in Europa Handlungsbedarf.“
(Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière auf dem Forum International de la
Cybersécurité am 20. Januar 2015 in Berlin)
In seiner Zeit als Bundesinnenminister erteilte de Maizière seinem Haus bereits 2015 den
Auftrag, die nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen weiter zu entwickeln
und er gab einen konzeptionellen Rahmen dafür vor. Seitdem wurde dieses Thema
stiefmütterlich behandelt. Das Vorhaben ist trotz jahrelanger Arbeiten immer noch weit von
einem Ergebnis entfernt. Der Grund liegt – nach meiner Erkenntnis als erster Leiter dieses
Projekts – in vielfachen administrativen Ungeschicklichkeiten und Fehlleistungen des eigenen
Hauses (bei Bedarf, gerne ausführlicher). Die Auswirkungen zeigen sich heute: Die erneuerte
KRITIS-Strategie sollte nach dem Willen des damaligen Bundesministers als erstes Element
eines neuen KRITIS-Pakets Impulsgeber und Auftakt für ein KRITIS-Regierungsprogramm
mit weitergehenden Maßnahmen zum Schutz Kritischer Infrastrukturen bilden, um die
Resilienz unserer Gesellschaft nachhaltig zu verbessern. Dadurch, dass in den fünf Jahren
seit Auslösen des Arbeitsauftrags noch nicht einmal ein symbolisches Strategiepapier erstellt
werden konnte, kam auch der weitergehende Prozess nicht in Gange. Die Resilienz wurde
nicht wie vorgesehen verbessert. Ich komme später darauf zurück.
- Auswertungen früherer Übungen
Wie funktionieren Krisen-Übungen?
Die Auswertung von Übungen offenbaren regelmäßig schwerwiegende Defizite in den
Vorgaben und auch Fehler von an der Übung Beteiligten. Diese Defizite und Fehler werden
analysiert und aus ihnen werden Hinweise und neue Vorgaben (Verfahren) für den Ernstfall
destilliert. Es liegt gewissermaßen in der Natur und in dem Zweck einer Übung, dass sie in
einem Desaster endet. Wenn das nicht geschieht, war die Übung zu einfach, dann lernt man
nichts daraus. Lernen aus Fehlern ist der kritische Erfolgsfaktor für das Krisenmanagement.
3.1 Lükex 2007
In der großen Krisen-Übung von Bund und Ländern 2007 (LÜKEX) wurde eine Pandemie
geübt. Im Ergebnis wurde genau das beschrieben, was heute eines der großen Probleme der
Krisenbewältigung ist. Die ressortübergreifende Risikobetrachtung war mangelhaft. Die
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 14 von 83
gleichen Defizite bestehen noch heute, es wurde aus der Übung nichts gelernt. Das führt
heute dazu, dass immer noch das gesundheitliche Risiko Gegenstand des einen Krisenstabs
ist, der mit seinen Maßnahmen zusätzliche Gefahren schafft, die so groß werden, dass
weitere Krisenstäben gebildet werden müssen, die nunmehr parallel agieren. Weder die
Risikoanalyse noch die Maßnahmenplanung werden zusammengeführt.
Zitat: „Eine ganzheitliche und ressortübergreifende Risikobetrachtung ist nur
ansatzweise festzustellen. Vor diesem Hintergrund ergeben sich Defizite
in der genauen Identifizierung, der korrekten Bewertung, der
entsprechenden Behandlung und der Beobachtung der Risiken, die eine
angemessene Ressourcenplanung erschweren.“
Quelle: 2007 Auswertungsbericht über die LÜKEX 2007 (Pandemie-Szenario), Seite 22 unten
??
Außerdem werden die Risiken der Gesundheitskrise als die schwerwiegenderen angesehen
und zu den entscheidungsleitenden gemacht, obwohl gar kein Vergleich stattgefunden hat.
Ein extrem schwerwiegendes Defizit und zugleich massiver handwerklicher Mangel eines
Krisenmanagements besteht in der unzureichenden Risikoermittlung durch das
Krisenmanagement. Wenn für die Ermittlung der gesundheitlichen Gefahren für unsere
Gesellschaft (nicht die einzelnen individuellen Gefahren) punktuelle aktuelle Daten verwendet
werden, deren Bedeutung für die Gefahrenqualität sich erst aus einem Abgleich mit anderen,
umfassend verfügbaren Daten erschließen (insbesondere die Zahlen zu an einem Virus
verstorbenen), so muss dieser Abgleich eingeplant und durchgeführt werden.
Zum Vergleich: Wenn ich die Gefährlichkeit eines starken Regens einschätzen will, muss ich
wissen, wie viel Regen ungefährlich ist, bzw. regelmäßig keine Schutzmaßnahmen erfordert,
und ich werde ermitteln, um wie viel dieses Level voraussichtlich überstiegen werden wird.
Auch durch normalen Regen entstehen regelmäßig Schäden. Ob vor einem stärkeren Regen
zu warnen ist, weil deutlich mehr Schaden entstehen wird, oder ob zur Abwehr der
zusätzlichen Schäden sogar massive Schutzmaßnahmen nötig sind, hängt davon ab, um wie
viel Wasser der erwartete Starkregen über der durchschnittlichen Regenmenge liegt und in
welchen (gesellschaftlichen) Bereichen sich dieses mehr an Regenwasser in welcher Weise
auswirkt.
Das bedeutet: Erst wenn ich weiß, ob und wie viele über der durchschnittlichen Menge an
Todesfällen liegende Todesfälle durch einen Virus ausgelöst werden, und wenn ich weiß,
welche funktionalen Bereiche der Gesellschaft voraussichtlich betroffen sein werden/können,
kann ich angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen konzipieren, um der Pflicht des
Katastrophenschutzes nachzukommen, große nationale Gefahren von unserer Gesellschaft
abzuwenden.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 15 von 83
Ob einem Krisenmanagement, das dies versäumt hat, zur Last gelegt werden kann, dass es
falsche (unangemessene, unwirksame, unnötigen Schaden auslösende) Entscheidungen
getroffen hat, lässt sich schwer mit hundertprozentiger Sicherheit sagen – aber leider mit sehr
hoher Wahrscheinlichkeit. Mit Sicherheit kann jedoch gesagt werden, dass
Schutzmaßnahmen beschlossen wurden, ohne die Gefahr auch nur so gut zu kennen und so
einschätzen zu können, wie es möglich gewesen wäre, wenn es eine sachgerechte
Risikoanalyse gegeben hätte. Die Wahrscheinlichkeit, durch den Verzicht auf umfassende
Vergleiche und vollständige Risikoanalyse zu falschen Maßnahmen zu gelangen, geht gegen
100 Prozent. Es wäre reiner Zufall, wenn die ergriffenen Maßnahmen weder zu stark noch zu
schwach wären, sondern ganz genau die richtigen. Krisenmanagement droht in einer
derartigen Krise zu etwas zu werden, was es nicht sein sollte: ein überwiegend spekulatives
Geschäft mit dem Schicksal unseres Gemeinwesens und unserer Bevölkerung.
3.2 Auswertung der Risikoanalyse aus 2012 und Bezüge zur aktuellen
Krise
Der Bund hat den gesetzlichen Auftrag zur Durchführung von Risikoanalysen im Bereich des
Bevölkerungsschutzes – nach § 18 Absatz 1 Satz 1 des Zivilschutz- und
Katastrophenhilfegesetzes des Bundes (ZSKG). In diesem Rahmen wurde 2012, fachlich
federführend durch das BBK, aber unter Einbeziehung aller einschlägigen Bundesressorts
und ihrer Geschäftsbereichsbehörden, eine Risikoanalyse erarbeitet, die seither allen
Bundes- und Landesbehörden zur Verfügung steht. Der simulierte Pandemieverlauf wurde
vom RKI beigesteuert.
Der Kontrast zwischen der gegenwärtigen Krise und dem Schreckens-Szenario der
Risikoanalyse könnte kaum größer sein (BT-Drucksache 17/12051 vom 03. 01. 2013,
Unterrichtung durch die Bundesregierung, Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz
2012).
Die Gefahren und Auswirkungen, die generell von Schutzmaßnahmen ausgehen, wurden
zwar auch in der Risikoanalyse benannt. Es wurde davon ausgegangen, dass irgendjemand
die richtigen Zahlen liefert. So wie heute.
Nachdem wir 2020 erfahren, dass Schutzmaßnahmen gegen eine sehr viel harmlosere
Pandemie bereits härtere Kollateralschäden erzeugen können, erscheint das damals zu
Übungszwecken konstruierte Szenario in manchen Punkten unrealistisch. Bei einer derartig
schweren Pandemie, wie in dem Übungsszenario des BBK, würde man nach dem heutigen
Erfahrungsstand sehr viel negativere und desaströsere Auswirkungen auf unserer
Gesellschaft und für die Bevölkerung veranschlagen. An manchen Punkten wird das
besonders deutlich und wirft ein Licht auf das aktuelle Krisengeschehen:
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 16 von 83
Bei einer wirklich schweren Pandemie mit Millionen Toten (wie in der Risikoanalyse
2012) wäre es nicht mehr nötig, eine Ausgehsperre zu verhängen. Die Menschen
würden von sich aus nicht mehr aus ihrem Haus gehen, wenn um sie herum gestorben
wird und jeder falsche Kontakt den Tod innerhalb weniger Tage bedeuten kann.
Andererseits würde sich bei einer gefährlichen und gesundheitlich unmittelbar
folgenschweren Pandemie auch keiner mehr an solche Vorgaben halten, der anderes
vorhat. Und der Staat wäre gar nicht mehr in der Lage, Ausgangssperren
flächendeckend durchzusetzen, so wie es 2020 noch fast problemlos möglich ist – u.a.
durch höfliche Politessen, die mit erhobenem Zeigefinger Knöllchen verteilen und
versuchen, dabei einen ernsthaften Eindruck zu machen. Der Staat hätte in einer
gefährlichen Virus-Pandemie mit den verbliebenen Kräften wichtigeres zu tun.
Auch von der Arbeit müsste man niemanden abhalten, es würde keiner mehr
hingehen, wenn dort möglicherweise der sichere Tod auf ihn wartete. Wer gebraucht
wird, etwa weil er für den Betrieb einer Kritischen Infrastruktur benötigt wird, müsste
von der Polizei abgeholt werden, weil er sich von seinen Lieben nicht entfernen will.
Die Polizei und Militär wären ebenso ausgedünnt, die Sicherheit und Ordnung könnte
nicht mehr gewährleistet werden, Kriminalität würde überhandnehmen und, und, und.
Eine Pandemie mit 7,5 Mio. Toten würde unsere Gesellschaftsformation und staatliche
Ordnung kaum überstehen und unsere Zivilisation möglicherweise auch nicht, wenn
die Kritischen Infrastrukturen zusammenbrächen.
In dem 2012er Szenario wurde zur Vereinfachung eine gleichmäßige Betroffenheit
aller Altersgruppen konstruiert, obwohl die Altersgruppe über 65 Jahren bei bisherigen
Coronaviren deutlich überproportional erkranken und sterben. („Für das Modellieren
der Zahlen an Erkrankten und Betroffenen im Szenario gehen wir davon aus, dass alle
Altersgruppen gleich betroffen sind.“) – Die wahrscheinlichere Variante ist auch bei der
sars-Variante Covid-19 zum Zuge gekommen. Mit der wesentlichen Konsequenz, dass
2020 die berufstätige Bevölkerung, die für die gesamte gesellschaftliche Arbeit und alle
Wertschöpfungsprozesse benötigt wird, so gut wie nicht betroffen ist – jedenfalls nicht
vordergründig gesundheitlich. In dem Szenario der Risikoanalyse hätte die breitere
Altersverteilung von Todesopfern zu noch schwereren Auswirkungen auf alle
gesellschaftlichen Bereiche führen müssen, mit dem Zusammenbrechen zumindest
von Teilen der Kritischen Infrastrukturen und der Unmöglichkeit, nach überstandener
Pandemie eine schnelle Regenerationsphase realisieren zu können. Für letzteres ist
unübersehbar das reaktionsschnelle Fallenlassen aller Restriktionen und
Schutzmaßnahmen der kritische Erfolgsfaktor.
In einer echten Krise käme wohl auch niemand auf die Idee, beim
Bundesverfassungsgericht einklagen zu wollen, dass er in dieser Lage eine politische
Demonstration durchführen darf. Eine Meldung in der Zeitung wäre das jedenfalls nicht
wert.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 17 von 83
Eine wichtige Erkenntnis aus der Risikoanalyse 2012, dürfte sein, dass bei jeglichen
Maßnahmen stets mitgedacht werden muss, dass sich die ersten Warnmeldungen als
Fehlalarm herausstellen könnten. Denn wirksamen und umfassenden Schutzmaßnahmen
wohnt ein gewaltiges eigenes Schadpotential inne (als Kollateralschaden). Dieses
Schadpotential entfaltet vor allem bei einem Fehlalarm und Überschätzung der
gesundheitlichen Gefahren seine fatale ironische Wirkung.
Rolle der Politik
Die Rolle der Politik kommt nur am Rande vor, nicht als impulsgebende Steuereinheit, wie es
sich heute darstellt.
Auf Seite 68 der 2012er Risikoanalyse heißt es im Szenario:
„2.6 Behördliche Maßnahmen
Neben der Information der Bevölkerung treffen die Behörden, aufbauend auf
bestehenden Plänen und den Erfahrungen aus der Vergangenheit, Maßnahmen
zur Eindämmung und Bewältigung des Ereignisses. Krisenstäbe werden zeitnah
einberufen und übernehmen die Leitung und Koordination der Maßnahmen. Die
vorausschauende Beurteilung der Lage und die entsprechende Planung der
Abwehrmaßnahmen werden unter allen beteiligten Ebenen abgestimmt.“
Die Risikoanalyse thematisiert mögliche Protest aus der Bevölkerung.
„Die Suche nach „Schuldigen“ und die Frage, ob die Vorbereitungen auf das Ereignis
ausreichend waren, dürften noch während der ersten Infektionswelle aufkommen. Ob
es zu Rücktrittsforderungen oder sonstigen schweren politischen Auswirkungen
kommt, hängt auch vom Krisenmanagement und der Krisenkommunikation der
Verantwortlichen ab.“ (Seite 80)
Auch in der Coronakrise wird es vermutlich zu Schuldzuweisungen kommen. Die werden sich
selbst mit geschickter Öffentlichkeitsarbeit der Regierungen kaum verhindern lassen, selbst
wenn versucht wird, die Massenmedien einzubinden. Bisher ist es nicht Ziel staatlicher
Öffentlichkeitsarbeit, generell Kritik zu unterdrücken.
Weitere Hinweise auf Gefahren durch Kollateralschäden
Kollateralschäden sind regelmäßig zu erwarten, das muss im Ergebnis der Risikoanalyse das
Krisenmanagement von vorne herein beachten. Die Kollateralschäden dieses Szenarios (7,5
Mio. Tote) würden sehr wahrscheinlich zu einem Zusammenbruch im Bereich der Kritischen
Infrastrukturen führen.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 18 von 83
„Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen sind hier nicht konkret abschätzbar, könnten
allerdings immens sein. Da im gesamten Ereignisverlauf mindestens 7,5 Millionen
Menschen sterben, ist trotz der Altersverteilung der Letalitätsrate mit dem Tod einer
Vielzahl von Erwerbstätigen zu rechnen. Sollten z.B. vier Millionen Erwerbstätige
versterben, wären dies ca. zehn Prozent aller Erwerbstätigen, dieser Verlust wäre
volkswirtschaftlich deutlich spürbar und mit einem hohen Einbruch des
Bruttoinlandprodukts verbunden.“ (Seite 78)
Die Kostenbelastungen einer solchen Krise haben Auswirkungen auf die Sozialen
Sicherungsysteme. Je länger die Aufhebung von Schutzmaßnahmen verschleppt wird, desto
größer wird der Nachteil für den Sozialstaat und den sozialen Frieden ausfallen. Das gilt
natürlich für die Coronakrise.
„Mit massiven Kosten für die öffentliche Hand ist zu rechnen, u.a. durch den Verbrauch
von medizinischem Material und Arzneimitteln sowie durch die Entwicklung und
Beschaffung eines Impfstoffes. Durch den Ausfall von Wirtschaftsleistung sind
geringere Steuereinnahmen zu erwarten. Dies führt in Verbindung mit dem Anstieg der
Gesundheitskosten voraussichtlich zu einer erheblichen Belastung der
Sozialversicherungssysteme, vor allem der gesetzlichen Krankenversicherung.“ (Seite
78)
Die Probleme durch Unterbrechungen von Lieferketten wurden in der Risikoanalyse
beschrieben. Und auch, dass die Unterbrechung von Lieferketten zu Kaskadeneffekten
führen kann.
„Generell ist zu berücksichtigen, dass Unternehmen die Auswirkungen der Pandemie
selbst bei guter Planung und Vorbereitung ggf. nicht mehr kompensieren können
(generelle Rationalisierungstendenzen: dünne Personaldecke, Abhängigkeit von
Zulieferern, Just-in-Time-Produktionusw.). Dies kann sogar dazu führen, dass weltweit
Produktionsketten zum Erliegen kommen.
Mit Blick auf vielfältige internationale Verflechtungen sind auch Versorgungsleistungen
aus anderen Ländern für Deutschland von großer Bedeutung. Zahlreiche Güter und
Dienste werden weltweit von nur wenigen Schlüsselproduzenten bereitgestellt. Somit
könnten Ausfälle im Bereich importierter Güter und Rohstoffe auch in Deutschland zu
spürbaren Engpässen und Kaskadeneffekten führen.“ (Seite 79)
Die aufgezeigten Auswirkungen beobachten wir in der Coronakrise schon jetzt, obwohl die
Fallzahlen bei weitem niedriger sind. Der Effekt wurde also unterschätzt. Gäbe es zusätzlich
Tote in Millionenhöhe, wäre der gesellschaftliche Zusammenbruch kaum mehr abzuwenden.
Davon sind Kritische Infrastrukturen betroffen, wie aktuell die Entwicklung in der
Trinkwasserversorgung zeigt (s.u.).
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 19 von 83
Die Reaktionen der Bevölkerung sind schwer vorauszusehen. Sie können sehr
unterschiedlich sein, und können sich bei zeitlicher Dehnung der Auswirkungen auch
verändern. Diese Risiken sind umso größer, je länger in der Coronakrise die
Schutzmaßnahmen von der Politik erzwungen werden.
„Im vorliegenden Szenario wird davon ausgegangen, dass die Mehrheit der
Bevölkerung sich solidarisch verhält und versucht, die Auswirkungen des Ereignisses
durch gegenseitige Unterstützung und Rücksichtnahme zu verringern. Ähnlich
solidarische Verhaltensweisen wurden vielfach bei anderen Extremsituationen
beobachtet. Gleichwohl ist es nicht auszuschließen, dass eine zunehmende
Verunsicherung und das Gefühl, durch die Behörden und das Gesundheitswesen im
Stich gelassen zu werden, aggressives und antisoziales Verhalten fördert.“ (Seite 79)
- Hat der Staat bisher genug für den Schutz Kritischer
Infrastrukturen getan? Und wenn nein, was hindert ihn daran?
Diese Frage ist deshalb von Bedeutung, weil mit Maßnahmen zum Schutz Kritischer
Infrastrukturen die Resilienz der KRITIS-Systeme und der Gesellschaft erhöht werden
können. Je schlechter die Widerstandskraft ist, desto störungsanfälliger sind kritische
Infrastrukturen, und desto eher kann es schon bei graduellen Limitierungen zu Ausfällen
kommen. Erste Hinweise enthielt bereits das zweite Kapitel (s.o.).
Zweifellos wurde in den letzten Jahren einen Menge an Aktivitäten entfaltet. Der Entwurf einer
Bilanzierung aller Aktivitäten seit Beschluss über die nationale KRITIS-Strategie zeigt das
(BBK im Auftrag v. KM4). Da es nicht alleine auf die Qualität der Einzelmaßnahmen
ankommt, und die Vergrößerung von Gefahren in der gleichen Zeit gegengerechnet werden
müsste, um den Nettoschutzeffekt (Resilienz-Saldo) zu erhalten, befasse ich mich hier vor
allem mit der strategischen Perspektive.
Der Schutz Kritischer Infrastrukturen wird auch von den Ländern als vordringliches Ziel
anerkannt. Die bisher ergriffenen Maßnahmen reichen nicht aus, auch wenn sinnvolle Schritte
gemacht wurden.
„Fragen der Versorgung spielen in unserem alltäglichen Leben kaum eine Rolle. In
welchem Maße wir auf Strom, Wasser oder etwa Internet angewiesen sind, merken wir
erst, wenn die einzelne Versorgungsleistung gestört ist. Die zunehmende
Digitalisierung bietet viele Chancen, birgt aber auch Risiken und Gefahren. Deshalb
müssen wir die Resistenz unserer kritischen Infrastrukturen erhöhen und auf alle
denkbaren ‚Worst-Case-Szenarien‘ vorbereitet sein. Um das hohe Niveau der
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 20 von 83
Daseinsvorsorge in Hessen zu sichern, haben wir in den vergangenen Jahren sowohl
den Brand- und Katastrophenschutz als auch den Bereich Cyber- und IT-Sicherheit
deutlich gestärkt.“ (Peter Beuth, Hessischer Innenminister, auf einer vom Hessischen
Innenministerium organisierten Fachkonferenz im Biebricher Schloss zum Thema
Kritische Infrastrukturen am 25. November 2019)
Der frühere Bundesinnenminister Friedrich brachte 2011 das IT-Sicherheitsgesetz auf den
Weg und begründete das mit der notwendigen Verbesserung des Schutzes Kritischer
Infrastrukturen.
„Neue Technologien bedeuten neue Chancen, Kollege Bockhahn. Durch das Internet
entstehen Produktivitätsfortschritte, aber auch neue Risiken. Das alles baut auf einer
unglaublich aufwendigen Technologie auf. Wenn wir diese Technologie und alles, was
uns in unserem täglichen Leben Lebensqualität, aber auch Wohlstand bringt – die
kritische Infrastruktur, unsere Stromversorgung, die Kommunikation, die
Wasserversorgung, die Logistik und das Finanzwesen –, schützen wollen, dann
müssen wir die Sicherheitsbehörden, insbesondere das BSI, in die Lage versetzen, all
die Möglichkeiten der Abwehr vorzuhalten und mit den technologischen
Herausforderungen Schritt zu halten. Das ist teuer, aber es gibt keine Alternative dazu.
Wir müssen in der Lage sein, unsere Bevölkerung, unsere Systeme und unsere
Daseinsvorsorge zu schützen. Deswegen ist es richtig, das BSI zu stärken.“ (aus:
Rede des Bundesministers des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, zum Haushaltsgesetz
2012 vor dem Deutschen Bundestag am 22. November 2011 in Berlin)
Die Umsetzung zog sich über einige Jahre hin, Minister Friedrich vertrat dies bei jeder
Gelegenheit. Mit Bezug zur IT-Sicherheit als Kritische Infrastruktur sagte er 2013: „(…) Das
zeigt, wie wichtig es ist, dass wir unsere Daten, unsere Leitungen, unsere Netze, unsere
Infrastruktur widerstandsfähig machen. Darüber rede ich hier seit Monaten.“ (aus: Rede des
Bundesministers des Innern, Dr. Hans-Peter Friedrich, in der Debatte zu den Konsequenzen
für Deutschland aus der internationalen Internetüberwachung vor dem Deutschen Bundestag
am 26. Juni 2013 in Berlin)
Inzwischen gilt das IT-Sicherheitsgesetz als deutsches Vorzeigeobjekt, obwohl es nur
begrenzte Verbindlichkeit entfaltet und die Einhaltung von Gesetz und Verordnung schlecht
verifiziert werden kann. Als Einstieg war das unverzichtbar und bietet ein guten Fundament.
Derzeit wird die zweite, deutlich ambitioniertere Stufe des IT-Sicherheitsgesetzes im BMI
vorbereitet.
Im August 2016 wurde das neue Zivilschutzkonzept durch Bundesinnenminister de Maiziere
in einem Berliner Wasserwerk der Öffentlichkeit vorgestellt, ein Baustein dieses Konzeptes ist
die Verbesserung des KRITIS-Schutzes. Dieses event war ursprünglich als rein
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 21 von 83
fachspezifisches Ereignis geplant gewesen, vehement reagiert hat dann schließlich die
allgemeine Presse (insbesondere die Breiten-Publikationen).
„Die Bevölkerung wurde aufgefordert, zur Erstversorgung im Krisenfall für fünf Tage
zehn Liter Wasser pro Person vorzuhalten sowie einen Vorrat an Lebensmitteln für
zehn Tage. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat Kritik am neuen
Konzept zur Zivilverteidigung zurückgewiesen. (…) Es sei ein umfassendes, lange
erarbeitetes Konzept jenseits jeder Panikmache, sagte de Maizière am Mittwoch in
Berlin. „Wir alle wünschen uns, dass uns größere Krisen erspart blieben”, sagte de
Maizière. Doch es sei vernünftig, sich „angemessen und mit kühlem Kopf” auf
Krisenszenarien vorzubereiten. (…)
Das Konzept ist in den vergangenen Tagen schon heftig diskutiert worden. Unter
anderem wird die Bevölkerung aufgefordert, zur Erstversorgung im Krisenfall für fünf
Tage zehn Liter Wasser pro Person vorzuhalten sowie einen Vorrat an Lebensmitteln
für zehn Tage. Auch Überlegungen zur Wiedereinführung der Wehrpflicht im Krisenfall
und Szenarien für Einsätze des Technischen Hilfswerks (THW) sind in dem Papier
enthalten. So heißt es etwa: „Im Falle einer Beendigung der Aussetzung des Vollzugs
der Wehrpflicht entsteht Unterstützungsbedarf der Bundeswehr bei
Heranziehungsorganisation und Unterbringungsinfrastruktur.” (aus: BZ Berlin vom
24.8.2016, De Maizière weist Kritik an umstrittenem Konzept zum Zivilschutz zurück,
https://www.bz-berlin.de/berlin/reinickendorf/de-maiziere-stellt-umstrittenes-konzeptzum-
zivilschutz-in-berlin-vor)
Selbst die örtlichen Anzeigenblätter interpretierten und skandalisierten die Aussagen des
Ministers als indirekten Aufruf zu Hamsterkäufen.
„Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat am 24. August im Wasserwerk
Tegel das zuvor im Bundeskabinett beschlossene Konzept Zivile Verteidigung
vorgestellt. Der Presseauflauf ist enorm. Dreizehn Kameras sind auf das Podium
gerichtet, noch mehr schreibende Journalisten verteilen sich auf die Sitzreihen, drum
herum tummeln sich die Fotografen. Die meisten sind gern in der Sommerpause aus
dem Regierungsviertel an den Tegeler See gekommen, doch das Wasserwerk
interessiert die meisten dann nur am Rande.
Wie könne es sein, dass kurz nach Terroranschlägen und Münchner Amoklauf die
Bundesregierung die Bevölkerung indirekt zu Hamsterkäufen aufrufe? Diesen Tenor
hat so manche Frage, und ähnlich gleich bleiben die Antworten des Ministers. Man
müsse Pläne für den Katastrophenschutz ab und zu anpassen, und genau dies hätten
die Bundesministerien getan, unabhängig von aktuellen Ereignissen.
Dass jeder Haushalt in der Lage sein sollte, sich ein paar Tage selbst zu versorgen, sei
doch selbstverständlich, sagt der Minister unter Verweis auf seinen eigenen
„vollgestellten Keller“, in den er aber keinen Journalisten hineinlassen möchte.“ (aus:
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 22 von 83
Besuch im Wasserwerk: Thomas de Maizière bei „kritischer Infrastruktur“ Christian
Schindler, aus Reinickendorf, 26. August 2016, 00:00 Uhr, https://www.berlinerwoche.
de/tegel/c-politik/besuch-im-wasserwerk-thomas-de-maizire-bei-kritischerinfrastruktur_
a107515)
In Fachkreisen gilt der Begriff „Hamsterkäufe“ inzwischen als geflügeltes Wort. Wer sich
dieses Vorwurfs bedient, kann jedes vernünftige Projekt zum Scheitern bringen. Aus Sicht der
Experten in den Ministerialapparaten von Bund und Ländern war die Politik (politische Leitung
der Ministerien und Regierungszentralen) aufgrund des „Hamsterkäufe–Effekts“ bisher nicht
stark genug, überfällige Aktivitäten und substanzielle Verbesserungen beim Schutz Kritischer
Infrastrukturen in Deutschland wirksam voran zu treiben.
Der Bundesinnenminister verteidigte sein Anliegen zwar, war aber politisch in Bedrängnis
geraten. Aus dem politischen Feld heraus wurde dieser Effekt noch gezielt verstärkt.
„Kritik wie jene der SPD, der Zeitpunkt hierfür nach den jüngsten Anschlägen schüre
Verunsicherung, ließ der Minister nicht gelten. „Es ist üblich, wenn eine
Ressortabstimmung abgeschlossen ist, dass es dann ins Kabinett kommt.”“ (aus: BZ
Berlin vom 24.8.2016, ebd.)
Erst dieser verstärkte Effekt führte dazu, dass die Abteilungsleitung KM nach Erörterung der
Angelegenheit beim Minister, das Vorhaben mit Samthandschuhen anfasste und die interne
Aufforderung erging, möglichst unauffällig unter dem Öffentlichkeitsradar weiter zu arbeiten.
Das Vorhaben der Erneuerung der allgemeinen KRITIS-Strategie wurde, im Gegensatz zur
IT-Sicherheitsstrategie, vom Ministerial-Apparat in der Priorität drastisch herabgestuft. Das
wäre (mit Blick auf den IT-Bereich), nicht zwingend gewesen. Auf die eigentliche Projektarbeit
der Erneuerung der KRITIS Strategie hatte die hauspolitische Vorgabe nur begrenzte
Auswirkungen. Die durfte und sollte unverändert, aber von der Abteilungsleitung nicht gerade
besonders interessiert oder engagiert begleitet, im Fachreferat weiter geführt werden.
Eckpunkte und Entwürfe wurden mehrfach im Hause, im Ressortkreis auf Bundesebene und
in Facharbeitsgruppen mit den Ländern abgestimmt. Solche technisch zustande
gekommenen Produkte, die nicht von der Abteilungsleitung eng begleitet und mit
Zielvorgaben gesteuert werden, haben oftmals geringe Wirksamkeit und Akzeptanz, wenn sie
der gleichen Abteilungsleitung schließlich und unvermittelt in der finalen Endfassung
vorgelegt werden. In diesem Fall, war das von Vorteil, denn das finale Papier war (aus meiner
persönlichen fachlichen Sicht) denkbar ungeeignet. Aufgrund verschiedener Widrigkeiten
erfolgte die referatsinterne Projektsteuerung suboptimal und war am Ende auch
unwirtschaftlich war.
Die Abteilungsleitung stoppte das mit den Ländern auf Arbeitsebene (AG KOST KRITIS)
abgestimmte Papier glücklicherweise aufgrund nachgewiesener schwerwiegender
systematischer inhaltlicher Mängel aus eigener Kraft. Allerdings wurden die Länder und das
am Projekt prominent beteiligte BBK über die genauen Ablehnungsgründe, die in umfassend
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 23 von 83
aufbereiteter Schriftform vorliegen (seit 2.3.20 auch SV AL KM), bis heute im Unklaren
gelassen. Dieser Umstand wird aller Voraussicht nach dazu führen, dass die inzwischen unter
Federführung der Länder fortgesetzte Arbeit an einem Neuentwurf der KRITIS-Strategie
erneut scheitern wird.
Selbstverständlich ist auch die Entscheidung, die Federführung einer erneuerten Strategie,
die ihrem Rang nach (wie bei der noch geltenden Strategie) im Bundeskabinett verabschiedet
werden soll, in die Hände der Länder zu legen, nicht unbedingt konstruktiv. Wenn diese
Gemengelage nicht grundlegend aufgearbeitet und neu geordnet wird, ist selbst mit einem
Neuaufbruch unter dem Eindruck der Coronakrise das Vorhaben einer erneuerten nationalen
KRITIS-Strategie – auch mit Perspektive auf das von der Strategie abzuleitende nationale
Regierungsprogramm zum Schutz Kritischer Infrastrukturen – bis auf weiteres nicht viel zu
erwarten.
- Was hätte bei der Gefahrenbewertung beachtet werden
müssen?
Auf der Basis der vorhergehenden Erkenntnisse wird deutlich, was eine Gefahrenbewertung
ausmacht und wofür sie gebraucht wird. In 5.1 wird eine Methode zur Überprüfung der
Qualität einer Gefahrenbewertung vorgestellt. Anschließend werden verschiedenen Ansätze
von Plausibilitätsprüfungen skizziert.
5.1 Anleitung zur Gefahrenbewertung mit Checkliste
Grundlage jeder Krisenintervention zur Abwehr einer außergewöhnlichen Gefahr ist eine
umfassende Erhebung von entscheidungsrelevanten Sachverhalten und eine Bewertung der
drohenden Gefahren, die alle für die Ermittlung der Gefahren relevanten Aspekte einbeziehen
und den Handlungsbedarf begründen. Prognosen, Szenarien (alternative Projektionen) und
Maßnahmen müssen einer Plausibilitätsprüfung unterzogen werden, bevor sie zum Maßstab
und Gegenstand von Entscheidungen gemacht werden können.
Um die Einhaltung diese Anforderungen in einer konkreten Lage zu verifizieren, braucht man
eine daraus abgeleitete und ergänzte Checkliste.
Falls Maßnahmen der Krisenintervention mehr als nur schwache negative Nebenwirkungen
haben, müssen die ursprünglichen Gefahren und die hinzutretenden Gefahren in einer
Multigefahren-Bewertung erfasst werden um zu vermeiden, dass die Kollateralschäden
größer werden, als der abzuwehrende Schaden durch die erste Gefahr.
Eine solche Checkliste gibt es bisher nicht. Sie wurde weder vor, noch nach der Lükex 07
oder der Risikoanalyse von 2012 entwickelt – was ich hiermit nachhole:
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 24 von 83
Krisenmanagement-Checkliste für die Teil 1: Einzel-Gefahrenlagen
Qualitätskontrolle einer Gefahrenbewertung
und der dafür erforderlichen Prozesse
Nr. Anforderungen / Qualitätskriterien 1. Beurteiler 2. Beurteiler
1 Gegenstand einer Krisenintervention ist die Abwehr von
Gefahren, die außerhalb der Krise nicht bestehen.
2 Um eine Gefahr korrekt einschätzen zu können, sind alle
entscheidungsrelevanten Sachverhalte (Daten und
Rahmenbedingungen) zu erheben.
3 Daten und Rahmenbedingungen, die für die Beurteilung einer
Gefahr irrelevant sind, dürfen in eine Gefahrenbewertung nicht
einfließen – sie können das Ergebnis der Beurteilung verfälschen
und zu falschen Maßnahmen führen.
4 Erhobene Daten und einbezogenen Rahmenbedingungen müssen
gegengescheckt, interpretiert und bewertet werden, um aus
ihnen eine Gefahreneinschätzung ableiten zu können.
5 Nur mit einer korrekten Bewertung (Einschätzung) der Gefahr
kann der richtige Handlungsbedarf ermittelt werden
(Wirksamkeit der Gefahrenabwehr)
6 Mindestanforderung für Prognosen und Szenarien, die in die
Entscheidungsfindung einfließen sollen, sowie für Maßnahmen
die zur Gefahrenabwehr erwogen werden, ist das Bestehen einer
Plausibilitätsprüfung.
7 Belastende Schutzmaßnahmen sind nur vertretbar, solange ihre
positive Wirkung eindeutig größer ist, als ihre negativen
Nebenwirkungen (Kollateralschäden).
8 Jede Bewertung kann nur so gut sein, wie Umfang und Qualität
der verfügbaren Daten und einbezogenen Aspekte es hergeben.
Kriterium erfüllt: Kriterium nicht oder unvollständig erfüllt:
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 25 von 83
Krisenmanagement-Checkliste für die Teil 2: Ergänzungen für Multi-Gefahrenlagen
Qualitätskontrolle einer Gefahrenbewertung
und der dafür erforderlichen Prozesse
Nr. Anforderungen / Qualitätskriterien 1. Beurteiler 2. Beurteiler
9 Für während einer Gefährdungslage hinzutretende weitere
Gefahren und für Gefahren durch (mehr als leichte)
Kollateralschäden werden nach den gleichen Vorgaben (siehe Teil
1) eigene Gefahrenanalysen durchgeführt.
10 Nur mit einer vollständigen Multi-Gefahrenbewertung kann das
Gesamt-Gefahrenpotential einer Lage erkannt werden.
11 Wirkungen jeglicher Krisenintervention und durch sie zu
erwartende Kollateralschäden sind regelmäßig miteinander
abzugleichen, um in die Lage zu kommen, den potentiellen
Gesamtschaden zu erfassen und die Maßnahmen so auszurichten,
dass der gesellschaftliche Gesamtschaden so gering wie möglich
gehalten wird.
Kriterium erfüllt: Kriterium nicht oder unvollständig erfüllt:
5.2 Wie hätte eine Gefahreneinschätzung (gesundheitliche Gefahren) nach
Plausibilität ausgesehen?
Wir gehen von der ersten Gefährdungslage, den gesundheitlichen Gefährdungen unserer
Gesellschaft durch den neuen Virus, aus. Wir nähern uns dem Problem über eine funktionale
Analyse und gleichen diese später mit den bestehenden oder kurzfristig geschaffenen
rechtlichen Rahmenbedingungen ab. Der Grund für dieses Vorgehen liegt auf der Hand:
Hauptgegenstand dieses Berichts sind die Auswirkungen auf die Kritischen Infrastrukturen in
Deutschland, die dem Krisenmanagement zugearbeitet werden sollen, nicht die
Rechtskonformität des Krisenmanagements. Das wäre jedoch ein Nebennutzen des zweiten
Schwerpunktes, der darin besteht, den Rechtsrahmen auf Plausibilität und Geeignetheit zu
überprüfen. Denn was nützen die schönsten Gesetze, wenn sie in der Praxis nicht optimal
dazu beitragen können, eine Krise zu bewältigen oder wenn sie sogar kontraproduktiv auf die
Krisenbewältigung wirken.
Grundlage jedes Krisenmanagements ist die Bewertung der Gefahr (s.o.), das Einschätzen
möglicher Schäden.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 26 von 83
Im Falle einer Pandemie geht es darum, die möglichen Schäden für unsere Gesellschaft
durch eine lebensgefährliche Erkrankung bis hin zum Versterben der Infizierten / Erkrankten
abzuschätzen. Da weltweit keine ausreichenden Vorerfahrungen bestanden und diese
aufgrund unterschiedliche Rahmenbedingungen in den verschiedenen Staaten auch nur
eingeschränkt verwertbar sind, musste diese Einschätzung auf der Basis des Infektions-,
Erkrankungs- und Sterbegeschehens in Deutschland selbst vorgenommen werden. Zur
quantitativen Beurteilung mussten Daten erhoben, bzw. aus bestehende Datenpools
abgerufen werden. Wichtigste Orientierungsgröße ist dabei das Ausmaß, des bisher
eingetretenen Schadens und seine Dynamik.
Der Schaden, den eine Erkrankung auslösen kann, besteht üblicherweise in
lebensqualitätssenkenden Folgeschäden und dem Tod. Diese beiden Größen mussten also
erhoben und im Kontext bewertet werden. Der Kontext besteht im Wesentlichen aus:
- a) Auch ohne Pandemie bestehen erhebliche Risiken, zu Tode zu kommen. Die
Wahrscheinlichkeit zu sterben liegt für jeden Menschen gleichermaßen bei exakt 100
Prozent.
- b) In einer Pandemie will sich eine Gesellschaft mit gesonderten Schutzmaßnahmen vor
zusätzlichen Risiken absichern, insbesondere vor einem vorzeitigen Tod, der durch
das pandemische Virus ausgelöst werden könnte.
Der sicherste Indikator für die Gefährlichkeit eines neuen Virus bietet die rückblickende
Sterbestatistik für das Pandemiejahr (und ggf. die Folgejahre). Die Gefährlichkeit des Virus
war für die Gesellschaft umso stärker, je mehr die Zahl von Sterbefällen während der
Pandemie von den durchschnittlichen Werten der Vorjahre nach oben abweicht. – Wenn es
rückblickend sehr viel mehr Sterbefälle in dem betrachteten Zeitintervall gab, war das Virus
sehr gefährlich. Wenn hingegen die Sterbezahlen im Bereich der durchschnittlichen
Schwankungsbreite lagen, hat real für die Gesellschaft keine Gefahr bestanden.
Die Sterbestatistik, aus der wir die Gefährlichkeit ablesen könnten, steht uns erst in einigen
Jahren zur Verfügung. Das hat zwei Konsequenzen:
- Selbst die alten Statistiken der vergangenen Jahre sind eine wichtige Ressource, die
für eine Gefahrenabschätzung unersetzlich sind. Da wir die Sterbestatistik für 2020
heute noch nicht haben, müssen wir uns praktikabler Hilfsindikatoren bedienen. Um
die voraussichtlichen Auswirkungen auf die detailliert differenzierte Sterbestatistik
wenigstens für die kurz zurückliegende Zeit der letzten Tage und Wochen zu ermitteln,
müssen wir die tagesaktuellen Sterbefälle, und zwar nicht nur die aus dem
unmittelbaren Corona-Kontext, von den Vergleichszahlen für das normale
(durchschnittliche) Sterbegeschehen in Deutschland, abziehen und mit den
Auswirkungen der allfälligen periodischen Virusinfektionen (+ ggf. anderen
Krankheitswellen) vergleichen.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 27 von 83
- Dass die Sterbestatistik für 2020 mit zeitlichem Versatz von wenigen Jahren
jedermann verfügbar sein wird, macht Zweckmäßigkeit und Angemessenheit aller von
der Regierung ergriffenen Maßnahmen nachträglich vollständig überprüfbar und
bewertbar. Alle Nachteile, die durch falsche oder unangemessene Schutzmaßnahmen
(entweder zu viele oder zu wenige) bis dahin eingetreten sein werden, werden dann
den Stellen und Personen angelastet, die in diesen Wochen und Monaten über die
laufenden Maßnahmen entschieden haben und weiterhin entscheiden werden. Das
kann in der Konsequenz u.a. zu Schadenersatzansprüchen führen, die
glücklicherweise nur dann zum Tragen kommen können, wenn das Verhalten des
Krisenmanagements und alle Entscheidungsprozesse aus heutiger Sicht zumindest
einer einfachen Plausibilitätsprüfung standgehalten haben, bzw. wenn eine sorgfältige
Plausibilitätsprüfung überhaupt unternommen wurde.
Eine Plausibilitätsprüfung empfiehlt sich natürlich nicht nur aus haftungsrechtlichen Gründen,
sondern auch, weil alle am Krisenmanagement beteiligten sicherlich eine bestmögliche Arbeit
machen, sowie Schäden und Nachteile von unserem Land abwehren wollen.
Stark eingreifende staatliche Schutzmaßnahmen sind nur dann der Bevölkerung zumutbar
und rational geboten, wenn sie unserer Gesellschaft (nicht dem Einzelnen) einen deutlichen
Vorteil gegenüber dem Nichthandeln des Staates bieten können. Auch dies muss also vor
dem Einleiten der Maßnahmen, und auch noch laufend die Maßnahmen begleitend,
gegengeprüft werden.
Es ist aus mehreren Gründen wichtig, dass das heutige Agieren des Krisenmanagements und
der politischen Entscheider eine angemessene Plausibilität aufweist. Denn wäre schon die
Plausibilität nicht gegeben, müsste schlimmstenfalls mit folgenden Konsequenzen gerechnet
werden:
- Das Krisenmanagement und die politischen Entscheider könnten einen gigantischen
vermeidbaren Schaden für unsere Gesellschaft anrichten, der das Potential des
Coranavirus bei weitem übertreffen und unvorstellbares Leid auslösen kann. Die
Stabilität unseres Gemeinwesens und der Bestand unserer staatlichen Ordnung
können gefährdet sein.
- Es drohen dem Staat hohe Schadenersatzforderungen wegen offenkundiger
Fehlentscheidungen.
Das bedeutet, dass folgende Todesfälle bei der Beurteilung der Gefährlichkeit eines neuen
Virus für unsere Gesellschaft nicht mitzuzählen sind, da sie im Rahmen der normalen
Schwankungsbreite des durchschnittlichen Sterbegeschehens liegen:
Todesfälle, bei denen zwar eine Infektion mit dem neuartigen Virus nachgewiesen
werden kann, die Erkrankung an ihm aber nicht die Todesursache war
Menschen, bei denen der Tod kurz bevorstand, und die beim Hinzukommen jeglicher
alltäglicher Belastungen oder zusätzlicher Erkrankungen (z.B. grippaler Infekt,
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 28 von 83
Lungenentzündung, …) nur noch palliativ medizinisch behandelt worden wären
(Sterbebegleitung).
Erst die dann gewonnene, bereinigte Zahl an zusätzlich eingetretenen Todesfällen, ist
Grundlage für die Einschätzung der Gefährlichkeit eines Viruses und die Planung von
gesonderten Schutzmaßnahmen des Staates.
Zur Gefährdungsanalyse und zur Planung von Schutzmaßnahmen gehören weiterhin, dass
die negativen Auswirkungen der Maßnahmen stets systematisch mit erfasst werden und die
Effekt laufend miteinander abgeglichen und saldiert werden müssen, um jederzeit gegen die
größte Gefahr kämpfen zu können.
Maßnahmen müssen konsistent sein, sie dürfen sich in ihrer Wirkung nicht gegenseitig
nivellieren oder überkompensieren.
5.3 Plausibilitätsprüfung für die Gefährdung durch den Corona-Virus
mittels Gegenüberstellung von Todesursachen
Die Gesundheitsberichterstattung des Bundes, gemeinsam getragen von RKI und DESTATIS
ermöglicht es für jedermann, Statistiken über das Sterbegeschehen zusammen zu stellen
(http://www.gbe-bund.de/glossar/Todesursachenstatistik.html).
Hier habe ich eine Tabelle der 20 häufigsten Todesursachen modifiziert, um auf
wöchentlicher Basis für ganz Deutschland einen Vergleich zwischen dem durchschnittlichen
und dem aktuellen Sterbegeschehen vornehmen zu können. Dies habe ich für die erste
Woche des Lockouts (23.-29.3.) und die letzte vollständige Woche (13.-19.4.), in der die
Entscheidungen getroffen wurden, die Maßnahmen nur partiell zurück zu nehmen. Die Zahlen
für Todesfälle stammen aus Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/COVID-19-
Pandemie_in_Deutschland, abgerufen am 23.4.20). Die vier Krankheiten, die ein vergleichbares
Symptomspektrum aufweisen wie Covid-19, habe ich zusätzlich zusammen gerechnet (blau).
Was noch fehlt, um eine sinnvolle Aussage machen zu können, sind die aktuellen
Sterbezahlen für die anderen 20 Krankheiten. Selbstverständlich zählt immer die originäre
Todesursache. Diese grobe Übersicht müsste nach Altersgruppen verfeinert werden.
Die Gefährlichkeit steigt, je mehr die durchschnittlichen Sterbezahlen übertroffen wird. Es
muss also zusätzlich die Dynamik der Ausbreitung berücksichtigt werden. Wird sie gar nicht
übertroffen, besteht überhaupt keine besondere Gefahr für unsere Gesellschaft.
Es gibt weitere Todesursachen, die über die individuelle Bedeutung hinaus auch eine
gesellschaftliche haben, was sich auch im Sterbegeschehen manifestiert. Die Zahl der
Suizide liegt bei ca. 9.000 jährlich in DEU. Um wie viel steigt diese Rate durch die Krise?
Steigt sie durch die medizinische Bedrohung (den Virus), oder steigt sie wegen der negativen
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 29 von 83
Auswirkungen der Schutzmaßnahmen (Depressionen, Psychosen, …)? Noch größere
Dimensionen nehmen Todesfälle durch Alkohol (77.000 Tote jährlich) und Tabak (110.000
Tote) an. Interessant sind diese beiden Beispiele, weil sie durchkommerzialisiert sind und
gewichtige ökonomische, individuelle und gesellschaftliche Interessen miteinander
konkurrieren. Im Mittelpunkt steht der freiwilligen „Genuss“ (daher auch nur bedingt
vergleichbar mit den Risiken einer Virusinfektion. Aber in der Konsequenz geht es auch dabei
um Leben und Tod und wie sich eine Gesellschaft in Form von rechtlichen Vorgaben oder
ethischen Orientierungen zu dem Phänomen stellt, oder ob sie indifferent bleiben könnte. In
Anlage 3 werden nur beispielhaft einige gesellschaftliche Rahmenbedingungen für Alkohol
und Tabak zusammengefasst (Marktvolumen, Gesundheitskosten, Steuereinnahmen). Die
Sterbestatistik wird Rückschlüsse darauf zulassen, wie sich die Coronakrise auf das
Sterbegeschehen durch Drogen und anderen Substanzen ausgewirkt haben wird.
Sterbefälle für die 20 häufigsten Todesursachen absolut.
Diese Tabelle bezieht sich auf:
Jahr: 2017, Region: Deutschland, Alter: alle Altersgruppen, Geschlecht: Insgesamt, TOP: 20, Art
der Standardisierung: Standardbevölkerung “Deutschland 2011” Info
ICD10
Jahresdurchschnitt
(2017)
Wochendurchschnitt
(2017)
Woche vom
23.-29. März
2020
Woche vom
13.-19. April
2020
Altersstandardisierte
Sterbeziffer
Sterbefälle Sterbefälle Sterbefälle Sterbefälle
Covid-19
(Coronavirus SARSCoV-
2)
0 0 0 334 1.621
Alle angezeigten ICDPositionen
545,9 504.223 9.697 ? ?
Alle ICD-Positionen 1.017,3 932.272 17.928 ? ?
Summe ähnlicher
Vergleichsdiagnosen
114.310 2.198 ? ?
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 30 von 83
und unbekannte
Diagnose
I25 Chronische
ischämische
Herzkrankheit
81,6 76.929
1.479
? ?
C34 Bösartige
Neubildung der
Bronchien und der
Lunge
52,2 45.031
866
? ?
I21 Akuter
Myokardinfarkt
51,6 46.966 903 ? ?
F03 Nicht näher
bezeichnete Demenz
40,4 39.459 759 ? ?
I50
Herzinsuffizienz
39,5 38.187 734 ? ?
J44 Sonstige
chronische obstruktive
Lungenkrankheit
35,9 32.104
617
? ?
I11 Hypertensive
Herzkrankheit
25,1 24.552 472 ? ?
I48 Vorhofflattern
und Vorhofflimmern
21,8 20.982 404 ? ?
C50 Bösartige
Neubildung der
Brustdrüse [Mamma]
21,0 18.588
357
? ?
R99 Sonstige
ungenau oder nicht
näher bezeichnete
Todesursachen
20,7 18.062
347
? ?
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 31 von 83
C25 Bösartige
Neubildung des
Pankreas
20,5 18.005
346
? ?
J18 Pneumonie,
Erreger nicht näher
bezeichnet
20,2 19.113
368
? ?
C18 Bösartige
Neubildung des Kolons
17,5 15.715
302
? ?
E14 Nicht näher
bezeichneter Diabetes
mellitus
16,1 14.925
287
? ?
I63 Hirninfarkt 16,0 14.864 286 ? ?
C61 Bösartige
Neubildung der
Prostata
X X X ? ?
I64 Schlaganfall,
nicht als Blutung oder
Infarkt bezeichnet
13,2 12.587
242
? ?
I69 Folgen einer
zerebrovaskulären
Krankheit
13,1 12.271
236
? ?
G20 Primäres
Parkinson-Syndrom
11,9 11.050 213 ? ?
C80 Bösartige
Neubildung ohne
Angabe der
Lokalisation
11,8 10.515
202
? ?
(unbearbeitetes Original als Quellennachweis: http://www.gbe-bund.de/oowa921-
install/servlet/oowa/aw92/dboowasys921.xwdevkit/xwd_init?gbe.isgbetol/xs_start_neu/&p_aid=3&p_a
id=52300294&nummer=517&p_sprache=D&p_indsp=-&p_aid=43971634)
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 32 von 83
5.4 Elemente einer Plausibilitätsprüfung für die Auswirkungen einer
Wirtschaftskrise auf die Pflege
Die Analyse von besonders gefährdeten Menschen, offenbart ein Profil: hohes Alter,
schwere Erkrankungen, Pflegebedürftigkeit, erkennbar kurz vor dem Lebensende stehend.
Um den potentiellen Schaden für diese Zielgruppe durch einen starken und länger
anhaltenden Konjunkturrückgang überschlagsweise einschätzen zu können, kann beispielhaft
die Entwicklung des Gesundheits- und Pflegesystems unserer Gesellschaft einer historischen
Betrachtung unterzogen werden.
Unsere Gesellschaft hat über die letzten Jahrzehnte einen hohen Anteil ihrer
volkswirtschaftlichen Überschüsse für die Ausweitung eines Systems investiert, mit dem das
Leben ihrer Mitglieder erheblich verlängert werden konnte. Die durchschnittliche
Lebenserwartung der Bevölkerung in DEU stieg von 1950 bis heute um 13 bis 14 Jahre. Das
ist ein Geschenk, das unsere Gesellschaft der älteren Generation gemacht hat. Es hat sich
gleichsam ein geltender Standard herausgebildet, der im Bewusstsein der Bevölkerung zu
einem Besitzstand geworden ist, hinter den niemand zurückfallen möchte.
Ein bedeutendes Element ist die Optimierung des Pflegesektors über die letzten Dekaden.
Es ist schwer einzuschätzen, wie groß der Anteil der gestiegenen Lebenserwartung ist, der
auf die aufwendigere Pflege entfällt, aber über die volkswirtschaftlichen Dimensionen des
Pflegesektors liegen gute Informationen vor.
Ich habe die Pflegebranche exemplarisch herausgegriffen und die zentrale Daten und
Rahmenbedingungen in Anlage 4 aufbereitet.
Zusammenfassende Kurz-Info zu Pflegebranche und Pflegemarkt:
Marktvolumen: heute 50 Mrd. Euro, bis 2030 sollen es 84 Mrd. Euro sein
(in einem wachstumsreduzierten Szenario nach Roland Berger: 64 Mrd.
Euro in 2030)
Beschäftigte: heute 1,2 Mio. (= 3,6 % aller sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten), bis 2030 sollen es 20 % mehr sein
Pflegebedürftige: heute 3,5 Mio. Menschen, in 2030 voraussichtlich 4,1
Mio., in 2050 voraussichtlich 5,3 Mio.
Was geschehen soll, wenn diese Überschüsse irgendwann nicht mehr zur Verfügung stehen
oder sogar Defizite auflaufen, wurde nie vereinbart. Aber es liegt auf der Hand: die Ausgaben
und Leistungen werden reduziert werden müssen, die Versorgung wird schlechter, die
Lebenserwartung wird sinken.
Eine große Wirtschaftskrise, ausgelöst durch die Coronakrise (oder: durch die Fehler im
Krisenmanagement der Coronakrise), wird diese Situation noch schneller eintreten lassen, als
ohnehin schon zu befürchten war. Die Diskussionen darüber werden in Kürze auf unsere
Gesellschaft zukommen. Der Aufwand für Pflege wird künftig viel mehr als heute in scharfe
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 33 von 83
Konkurrenz geraten zu Investitionen in die Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft, die
Förderung von wirtschaftlich verwertbaren Innovationen und die Qualifizierung des
Humankapitals, das in DEU (bezogen auf den Schüler-Nachwuchs) aufgrund begrenzter
natürlicher Qualitäten (im Vergleich zu anderen Weltregionen) ganz besonderer Hege und
Pflege bedarf.
In einer weiteren Stufe meiner Plausibilitätsprüfung gelange ich zu weiteren Widersprüchen,
die es mir stark erschweren, Prognosen in meinem Verantwortungsbereich, dem Schutz
Kritischer Infrastrukturen, anzustellen:
Es werden zwar weitreichende Einschränkungen bezüglich des Kontaktes zwischen den
Menschen und deren Freizügigkeit / Bewegungsfreiheit vorgenommen, von diesen werden
jedoch so zahlreiche Ausnahmen zugelassen, dass angesichts der offenkundig starken
Ansteckbarkeit der Krankheit die beabsichtigte Wirkung der Einschränkungen nicht erzielt
werden kann. Gleichwohl bleiben die Einschränkungen, die schwerwiegende negative
Auswirkungen auf unsere Gesellschaft haben, weiter in Kraft. Zwar kann ich die Gründe für
die Ausnahmeregelungen gut nachvollziehen, komme aber trotzdem nicht umhin
festzustellen, dass die eigentliche Regelung dadurch nivelliert wird.
Dem wird ein Entscheidungsprozess vorangegangen sein, bei dem mit Sicherheit auch die
grundsätzliche Gefährlichkeit der Infektion berücksichtigt wurde. Wenn die jeweiligen
Entscheider von einer hohen Gefährlichkeit und insbesondere von einer leichten
Übertragbarkeit ausgegangen wären, hätten sie umfangreiche und zudem schwer
überprüfbare Ausnahmen in diesem Umfang nicht zulassen dürfen. Wenn die Entscheider
von einer geringen Gefahr ausgegangen wären, hätten sie Einschränkungen insgesamt
aufheben müssen, um den Schaden zu begrenzen, der durch die Schutzmaßnahmen
entsteht und täglich aufwächst.
5.5 Ansätze einer Plausibilitätsprüfung aus Perspektive der
Bevölkerungsentwicklung
Es kann nach drei Schadensklassen und Arten von Schutzgütern zu differenziert werden:
nach materiellen Schäden, nach Schäden durch das Sterben von Menschen und Schäden
durch den Verlust von Lebens(zeit)erwartung.
Alleine aus dem BMI unmittelbar verfügbaren Ressourcen ist es möglich, Vergleichszahlen zu
überschlagen. Als Basis meiner folgenden Einschätzungen dienten die öffentlich
zugänglichen Wissensbestände des BiB (Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, dem
BMI nachgeordnete Behörde).
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 34 von 83
Das zusammenfassende Ergebnis meiner nachfolgenden Analyse: Eine starke
Wirtschafts- und Gesellschaftskrise mit eine negativen Entwicklung des BIP um 8 bis 10
Prozent im ersten Jahr, in der das Wohlstandsniveau längerfristig sinkt, wird nicht nur die
Lebensqualität senken, sondern auch die Lebenserwartung der Bevölkerung. Am 24. April
2020 warnte EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Staats- und Regierungschefs der EU
(https://www.fondsprofessionell.de/news/zahl-tweet-des-tages/headline/zahl-des-tages-15-prozent-197155/) vor einem
Einbruch um bis zu 15 Prozent. Wie stark die Effekt sein wird, und somit die
Größe/Bedeutung der Gefahr, die von ihm für die Bevölkerung ausgeht, kann nur geschätzt
werden – wie auch bei der Erhebung der Gesundheitsgefahren durch den Coronavirus. Als
Kriterium für eine quantitative Schätzung habe ich die Steigung der Lebenserwartung in den
letzten Jahrzehnten in Korrelation mit der Wohlstandsentwicklung heran gezogen. Demnach
könnte befürchtet werden, dass durch die bereits bis heute aufgelaufenen
Regierungsmaßnahmen in der Coronakrise potentielle Lebenszeit im Umfang von bis
zu mehreren Millionen Lebensjahren der Bevölkerung Deutschlands vernichtet wurde.
Dieser Befund wurde von mir mit relativ einfachen Mitteln und sicherlich recht grob erhoben.
Es ist dringend erforderlich, die von mir skizzierten Wirkungszusammenhänge von Experten
z.B. des BiB kurzfristig klären und erläutern zu lassen. Das Krisenmanagement der BReg
kann nur dann einen Abgleich von Gefahren vornehmen, wenn für die beiden aktuell
drohenden Gefahren – die Gefahr an Corona schwer zu erkranken und daran zu
sterben, sowie die nunmehr eintretende Wirtschafts- und Gesellschaftskrise mit ihren
lebensverkürzenden Effekten – ausreichend Informationen und Daten zur Verfügung
eingeholt werden. Es gilt, ein bisheriges Versäumnis auszugleichen.
Einzelaspekte:
Bevölkerungsforschung – aktuell, Heft 4 aus 2010
2010 wurde vom BiB ermittelt (Bevölkerungsforschung – aktuell, Heft 4 aus 2010), dass
die längere Lebenserwartung positive auf die erwachsenen Kinder der Alten haben bis
diese zwischen 50 und 60 Jahren sind. Dann dreht sich der Effekt um: Die
(erwachsenen) Kinder werden stärker belastet durch die Pflege der Eltern.
Fazit: Wenn die Lebenserwartung sinkt, können jüngere Menschen, die im
Arbeitsleben einer Volkswirtschaft höchste Bedeutung haben, weil sie die
Wirtschaftsleistung (Wertschöpfung einer Gesellschaft) tragen und für die Innovationen
zuständig sind, weniger durch unterstützende und mithelfende Eltern entlastet werden,
und werden früher als heute mit den Belastungen der Pflege ihrer Eltern belastet. Sie
werden dadurch über ihre aktive Lebensarbeitsphase tendenziell weniger leisten
können als heute, also weniger zum Steueraufkommen beitragen und das
Wohlstandsniveau unserer Gesellschaft schlechter absichern können.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 35 von 83
Entwicklung der Lebenserwartung in Deutschland 1960–2010
https://de.wikipedia.org/wiki/Lebenserwartung
https://www.bib.bund.de/DE/Fakten/Fakt/S37-Lebenserwartung-Alter-65-Geschlecht-West-
Ost-ab-1958.html?nn=9992060
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 36 von 83
Wohlstand Deutschlands 1950–2008 gemessen am BIP pro Kopf in €
https://de.wikipedia.org/wiki/Wohlstand
Selbst wenn man berücksichtigt, dass Wohlstand eine schwer messbare Größe ist und
unterschiedliche Messmethoden und Interpretationen möglich sind (siehe unten, Der
Spiegel), besteht keine Zweifel daran, dass im Laufe der Zeit immer mehr Ressourcen für
Maßnahmen aufgewendet wurden, die der Verlängerung der durchschnittlichen
Lebenserwartung dienten. Das Wirtschaftswachstum der letzten Jahrzehnte, dass nun massiv
einzubrechen droht, machte das möglich.
„Geld ist nicht alles: Während das Bruttonationaleinkommen der Deutschen in den
vergangenen 15 Jahren meist stieg, schwankte der Nationale Wohlfahrtsindex erheblich. In
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 37 von 83
zwei unterschiedlichen Varianten fasst dieser insgesamt 21 Indikatoren zusammen – von der
Luftverschmutzung über den Alkohol- und Drogenmissbrauch bis zum Wert der Hausarbeit.“
SPIEGEL ONLINE aus Der Spiegel, 2.4.2012
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/wie-misst-man-wohlstand-kritik-ambruttoinlandsprodukt-
bip-a-824877.html
Bevölkerungsforschung – aktuell, Heft 5 aus 2011
In einem Beitrag (Bevölkerungsforschung – aktuell, Heft 5 aus 2011) wurde dargelegt,
dass sich im Zuge der Erhöhung der Lebenserwartung auch die Phase kurz vor dem
Tod, in dem gesundheitliche Einschränkungen bestehen und die Lebensqualität
schlecht bis sehr schlecht ist, verringert. Den Menschen geht es länger gut. Eine
einzelne neuere Studie konnte diese Aussage aufgrund sehr spezieller
Datengrundlage zwar nicht bestätigen, dennoch gingen die Autoren des BiB in 2011
von der Wirksamkeit der sogenannten „Kompression der Morbidität“ aus.
Fazit: Wenn die Lebenserwartung sinkt, wird das möglicherweise dazu führen, dass die
Menschen im Alter mehr Leid erleben werden und diesem Zustand länger ausgesetzt
sein werden als heute (wo sich dieser Zustand vergleichsweise auf kürzere Zeit
komprimiert).
In einem zweiten Beitrag des gleichen Heftes wird dargelegt, dass
Generationenkonflikte zwischen Alt und Jung nicht so stark sind und sein werden, wie
von vielen befürchtet. Als Gründe werden drei Annahmen genannt: Die Zustimmung
dazu, dass die Alten zu versorgen sind, ist in der Gesellschaft sehr groß. Außerdem
seien die Interessenlagen der Alten zu heterogen, als dass es zu einem einheitlich,
homogenen Interessen der ganzen Kohorte kommen würde. Auch die relativ engen
Verbindungen in den Familien sprächen für geringe Konfliktrisiken, denn die führten
dazu, dass die gegenseitige Unterstützung und Rücksichtnahme relativ stark
ausgeprägt sind.
Fazit: Im Falle einer geringeren Lebenserwartung und schlechterer Wirtschaftskraft ist
m.E. mit erheblichen Veränderungen zu rechnen: Die Belastung der jüngeren,
arbeitenden Bevölkerung nimmt zu, was das Verständnis der arbeitenden Bevölkerung
für die Notwendigkeit der Mitversorgung der älteren Generationen auf eine Probe
stellen wird. Der Wettbewerb von Betroffenengruppen um Anteile aus den Sozialletats
wird zunehmen, weil das zu verteilende Gesamtvolumen sinken wird.
Viel wird von der Solidaritätsbereitschaft der Bevölkerung abhängen:
Zitat aus dem Fazit des Artikels (es geht darum, wie stabil die
Generationensolidarität ist und wovon sie abhängt): „Dennoch ist die
wohlfahrtsstaatliche Generationensolidarität in Zeiten des demografischen
Wandels und fiskalischer Austeritätszwänge kein Selbstläufer. Die
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 38 von 83
Solidaritätsbereitschaft zwischen den Generationen hängt zukünftig auch davon
ab, dass die Politik die gemeinsamen Interessen von Jung und Alt betont und
eine spalterische Rhetorik vermieden wird (Streeck 2009: 9). Darüber hinaus gilt
es, auch im Kontext wohlfahrtsstaatlicher Reformen – und das heißt mithin in
Zeiten sozialpolitischer Einschnitte – diese Solidaritätsbereitschaft zu
bewahren und ihre Basis nicht zu zerstören.“
Ob unter den harten Realbedingungen einer massiven Wirtschafts- und
Gesellschaftskrise, sowie bei abgesenktem Wohlstandsniveau, Werbekampagnen der
Regierungen in den Medien zur Erhörung der generationenübergreifenden Solidarität
in der Gesellschaft (wie sie heute vielfach bei vergleichbaren Anlässen unter Berufung
auf und Betonung von ethischen Normen gefahren werden) noch beitragen können,
erscheint fraglich. Vielleicht werden sie von der Bevölkerung eher als Zynismus
empfunden, durch den sich ihr Ohnmachtsgefühl eher noch verstärkt.
Funktionieren wird das vielleicht noch so lange, wie der Staat zum Füllen der Rentenund
Sozialkassen zusätzliche Schulden machen kann. Denn staatliche Transfers sind
offenbar so etwas wie Anschubfinanzierungen und Motivator für das Praktizieren
privater Solidarität:
„Öffentliche Transfers bilden die Grundlage für private, innerfamiliäre
Transferleistungen zwischen den Generationen, und insbesondere für die
Armen unter den Älteren besteht das Risiko einer verringerten Einbindung in
familiäre Zusammenhänge aufgrund geringer Ressourcen (Szydlik 2008: 18).
Daher besteht nicht zuletzt im Interesse der Generationensolidarität auch in
Zukunft die Notwendigkeit einer Renten- und Sozialpolitik, die die ärmeren
Sozialschichten berücksichtigt und ihnen eine vollwertige Teilhabe am sozialen
Austausch ermöglicht.“
Bevölkerungsforschung – aktuell, Heft 5 aus 2013
In einem Beitrag aus 2013 wird Bezug genommen auf das „Dritte Alter“, in dem die
Menschen trotz fortgeschrittenen Lebensalters eine hohe Autonomie und
Lebensqualität erfahren.
„Alternsforscher bezeichnen den Lebensabschnitt zwischen dem Eintritt in den
Ruhestand und dem Beginn dauerhafter Einschränkungen in Folge von Krankheiten,
die eine Abhängigkeit von anderen Menschen begründen, als „Drittes Alter“. Es
handelt sich um eine relativ neue Lebensphase, die sich in Deutschland seit der Mitte
des 20. Jahrhunderts im Zuge der allgemeinen Lebensverlängerung herausbildete.“
(Bevölkerungsforschung – aktuell, Heft 5 aus 2013, Seite 2)
Gesellschaftliche Veränderungen werden diese Phase verkürzen, wenn die Leistungen
des Gesundheitswesens und der Sozialversorgung aufgrund starken Geldmangels und
Wohlstandsverlusts der Gesellschaft zurück gefahren werden müssen.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 39 von 83
Bevölkerungsforschung – aktuell, Heft 6 aus 2015
Beitrag (Bevölkerungsforschung – aktuell, Heft 6 aus 2015).
Aus dem Vorwort: „Zu den großen Errungenschaften moderner Gesellschaften gehört
der bemerkenswerte Anstieg der Lebenserwartung. Verantwortlich für diese
Entwicklung ist neben dem Wachstum des Wohlstands und der Zunahme
gesunder Lebensweise auch die medizinische Versorgung.“
Fazit: Das bedeutet umgekehrt, dass eine Schrumpfung des Wohlstands zu einer
geringeren Lebenserwartung führen wird. Durch die von den Schutzmaßnahmen
ausgelöste Wirtschafts- und Gesellschaftskrise verlieren die Mitglieder unserer
Gesellschaft Lebensjahre. Da der Zuwachs der Lebenserwartung innerhalb der letzten
50 Jahre bei über zehn Jahren liegt (sowohl bei Frauen, als auch bei Männern, als
auch bei ), muss davon ausgegangen werden, dass für den Fall eines Rückfalls auf
das Wohlstandsniveau des Jahres 2000 oder gar des Jahres 1980 mit einem Verlust
von mindestens einer Größenordnung von mehreren Millionen Lebensjahren für
unsere Gesellschaft auszugehen ist.
5.6 Exkurs Lebensqualität im Alter und Sterblichkeit
(Quelle: Methoden und Grundlagen des Lebenslagenansatzes, ZeS (Zentrum für Sozialpolitik) der Uni Bremen,
Wolfgang Voges, Olaf Jürgens, Andreas Mauer, Eike Meyer, Endbericht , November 2003, zum Download auf
der Internetseite des BMAS: http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDFPublikationen/
forschungsprojekt-a350-methoden-und-grundlagen-deslebenslagenansatzes.
pdf?__blob=publicationFile)
Lebensqualität im Alter ist u.a. von dem Renteneintrittsalter abhängig. Durch die
Notwendigkeit länger arbeiten zu müssen, verringert sich folglich die Lebensqualität.
„Im letzten Drittel der Erwerbsphase wird Personen erst richtig bewusst, dass Lebenszeit ist
ein knappes Gut ist. Vor diesem Hintergrund sind sie an einem möglichst frühen Ausscheiden
aus dem Erwerbsleben interessiert, um sich nicht mehr den Zwängen belastender
Erwerbsarbeit unterwerfen müssen.“ (Seite 145)
Der vorzeitige Ausstieg aus dem Arbeitsleben ist nur auf eine Interessenlage zurück zu
führen, sondern korrespondiert mit den Belastungen des Arbeitslebens.
„Die Wahrnehmung von Arbeitsanforderungen als Belastungen resultiert häufig aus
abnehmenden individuellen Leistungsvermögen sowie nicht mehr ausreichenden Ressourcen,
um sich die aus der Arbeitstätigkeit ergebenden erhöhten Beanspruchung ausgleichen zu
können. Von den Arbeitnehmer in der Spätphase des Erwerbslebens, die über ernste
Symptome körperlicher und geistiger Erschöpfung klagen, hatten vier Fünftel in Erwägung
gezogen, vorzeitig aus dem Erwerbsleben auszuscheiden und Rente zu gehen (Voges 2003c).
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 40 von 83
Ein Fünftel aller Rentner scheidet wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vorzeitig aus dem
Erwerbsleben (VDR 2001). Bei nahezu zwei Dritteln dieser Frührentner handelt es sich um
vormalige Arbeiter. Dagegen kommt mehr als die Hälfte der Frührentnerinnen aus dem
Angestelltenbereich. In neun von zehn Fällen liegt eine Krankheit vor und nur bei jedem
Zehnten ein Unfall.“ (Seiten 145-146)
Der Anteil vorzeitiger Aussteiger aus dem Arbeitsleben ist seit längerem relativ hoch (im
vorherigen Zitat wurden Zahlen von 2001 berücksichtigt). Bei einem stärkeren Wettbewerb
und zunehmender Belastung auf dem Arbeitsmarkt ist damit zu rechnen, dass diese Zahl
weiter steigen wird. Möglicherweise muss in der Not trotzdem weiter gearbeitet werden, was
allerdings zu einer geringeren Lebenserwartung führen wird.
Selbst bei Frühverrentungen nach dem heutigen System (bei stabilem Wohlstand), hatten die
Betroffenen durchschnittlich schneller stark beeinträchtigende gesundheitliche Probleme, als
die länger arbeitenden.
„Ein früher Übergang aus dem Erwerbsleben in den Ruhestand bedeutet daher keinesfalls,
dass sich dadurch ein unbeschwertes Rentnerdasein mit besseren Lebenschancen eröffnet.
Die Realität zeigt vielmehr, dass die Chancen dafür je nach Verrentungszeitpunkt im
Lebensverlauf höchst unterschiedlich verteilt sind. Von den GEK-Versicherten werden 5 % mit
55 bis 57 Jahren, 38 % mit 58 bis 60 Jahren, 44 % mit 61 bis 63 Jahren und nur 13 % mit 64
bis 66 Jahren verrentet. Die gesundheitlichen Beschwerden führen dazu, dass bei den im Alter
von 55 bis 57 Jahren Verrenteten Pflegebedürftigkeit früher im Lebensverlauf auftritt als bei
denen, die zu einem späteren Zeitpunkt aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Von diesen
Frührentnern ist bereits bei Rentenbeginn mehr als ein Prozent pflegebedürftig.“ (Seite 146)
Ihre Pflegebedürftigkeit tritt schneller ein und belastet die Gesundheits- und Sozialsysteme.
Ihr Sterblichkeitsrisiko steigt stark an.
„Nach fünf Jahren ist der Anteil nur geringfügig angestiegen, da ein großer Teil der
pflegebedürftigen inzwischen verstorben ist. Ein Fünftel der mit 55 bis 57 Jahren Verrenteten
ist zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben. Ein Vergleich mit den im Alter von 58 bis 60 Jahren,
61 bis 63 Jahren und 64 bis 66 Jahren Verrenteten zeigt, dass das Pflegerisiko für diese
Rentner deutlich unter einem Prozent liegt. Auch das Sterblichkeitsrisiko reicht mit 5 bis 6 %
kaum an das der 55 bis 57jährigen Frührentner heran (Voges 2003c).“
Trivial erscheint die Erkenntnis, dass die Vulnerabilität von Rentnern – und damit ihre
Lebensqualität – von ihrem Gesundheitszustand abhängt.
„Die gesundheitlichen Probleme erhöhen auch die Vulnerabilität der Lebenslage von
Rentnern.“ (Seite 147)
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 41 von 83
- Auswertung der Erfassung von Daten, die für
Gefährdungsbewertungen und Entscheidungen über
Maßnahmen herangezogen wurden
Als Datenquelle für die Gefährdungseinschätzung stehen dem Krisenmanagement zur
Verfügung:
täglich aktuelle Meldungen und Analysen des gemeinsamen Krisenstabs von BMI und
BMG (diese werden vom Robert-Koch-Institut zusammengestellt und fokussieren die
gesundheitliche Lage; seit kurzem ergänzt durch einzelne Bausteine aus anderen
Sicherheitsrelevanten Bereichen wie z.B. BW, Extremismus)
Meldungen des internen BMI-Lagedienstes (herausgegeben vom Lagezentrum des
BMI und basieren gleichfalls auf den RKI Aufbereitungen)
Lagedienst Innere Sicherheit (herausgegeben vom Lagezentrum des BMI und
basieren gleichfalls auf den RKI Aufbereitungen)
Berichte und Lageberichte des Cyber-Abwehrzentrums (Cyber-AZ)
Berichte und Lagemeldungen des BSI (unterschiedliche Formate auf Tages-, Wochen
und Monatsbasis)
Lageberichte des BBK zum Status in Kritischen Infrastrukturen
Lageberichte des Gemeinsamen Melde- und Lagezentrums von Bund und Ländern
(GMLZ)
Die vorgenannten Aufbereitungen sind nicht für die Allgemeinheit bestimmt, sondern einem
begrenzten Kreis von Menschen zugänglich, insbesondere denen, die mit dem
Krisenmanagement in der Coronakrise befasst sind (Bundes- und Länderebene). Die
Aufbereitungen unterliegen einer besonderen Vertraulichkeit (VS – nur für den
Dienstgebrauch) und dürfen nicht nach außen gegeben werden. Den Aufbereitungen liegen
jedoch Daten zugrunde, die überwiegend gleichzeitig veröffentlicht werden (siehe die
öffentlich zugänglichen Lageberichte des RKI auf dessen Website).
Einige der genannten Quellen wurden im Rahmen dieser Arbeit exemplarisch analysiert auf
Verwertbarkeit für die Gefahrenerkennung und für die Gefahrenerkennung im Bereich der
Kritischen Infrastrukturen.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 42 von 83
6.1 Auswertung der BMI Lageberichte (bis 7. April 2020)
Verteiler: BMI-Lageberichte: intern BMI; Lageberichte Innere Sicherheit: ChBK, AA, BMF,
BMJV, BMVg, BMAS, BMEL, BMG, BMU, BMVI, BMZ, BMWi, BPA, BPrA, BT, Alle IM, BAMF
(LZ), BBK, GMLZ, BDBOS, BfV, BKA Wiesbaden, BKA Berlin, BKA Meckenheim, BPOLP,
BSI, THW, BND, ZKA, DHPol, GBA
In den Lageberichten des BMI (und wortgleich in den Lageberichten Inneres Sicherheit), die
die Grundlage für Bewertungen und Entscheidungen des Krisenmanagements bildeten,
wurden folgende Daten zur Beschreibung der potentiellen Gefahren des Covid-19 Virus
erfasst. In der ersten Phase, wurden vor allem zwei Werte erfasst und deren Ableitungen
(Zunahme, später Umrechnung auf je 100.000 Bevölkerung, …):
- a) Zahl der positiven Testungen (wurden als Infizierte oder Fälle ausgegeben)
- b) Zahl der Verstorbenen
Eine Übersicht der Daten enthält die folgende Tabelle:
Die Auswertung der vorstehenden Daten offenbart:
- Die Berichterstattung war teils lückenhaft.
- Die Berichtskategorien veränderten sich mehrfach, teilweise wurden frühere wieder
aufgegriffen.
- Die Daten widersprachen sich teilweise (Stagnation von Entwicklungen, rückläufige (!)
Gesamtzahl von Todesfällen, …).
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 43 von 83
- Die Daten der Lageberichte waren für die Einschätzung der Gefahr, die von dem
Coronavirus ausgehen, nicht geeignet (siehe die anderen Kapitel dieses Berichts). Die
Gefahren, die real von dem Virus für die Bevölkerung Deutschlands ausgeht, konnte
damit nicht erfasst werden.
- Auch die internationalen Zahlen wurden ohne Beachtung des jeweils spezifischen
nationalen Kontextes in die Berichte eingebunden und haben durch die Aufnahme in
die Berichterstattung im Krisenstab indirekt Handlungsdruck erzeugt. Es wurde immer
gerade über die Länder berichtet, in denen spektakuläre Spitzen zu beobachten
waren. Eine verallgemeinerbare Erkenntnis konnte daraus nicht gewonnen werden.
Entlastende Daten wurden nicht aufgenommen, obwohl auch sie öffentlich verfügbar
waren (z.B.: https://swprs.org/covid-19-hinweis-ii/#latest).
- Im Gegenteil: Trotz überhöhter Angaben über Coronatote wurde erkennbar, wie gering
die Gefahr gegenüber alltäglichen gesundheitliche Risiken (wie einer Influenzawelle)
tendenziell stets war (siehe die blaugedruckte Vergleichszahl in der untersten Zeile der
Tabelle.
- Die Zuschlagung von jeglichen Verstorbenen, die infiziert waren, zu den Zahlen für
Coronatote führte (und führt weiterhin) zu einer Verzerrung bei der Wahrnehmung des
Sterbegeschehens und verhindert unter anderem auch, dass die Folgen der
Kollateralschäden diesen auch zugeordnet werden können. Sie blieben somit
statistisch unsichtbar. – Beispiel: Eine Person, die keiner gefährdeten Gruppe
angehört, und die trotz Infektion nicht an Covid-19 erkrankte, stirbt, als ihre fest
eingeplante Herz-OP wegen Absage der Klinik nicht erfolgen kann an den
Herzproblemen; diese Person würde nicht als Opfer der Schutzmaßnahmen, sondern
als Opfer der Virusinfektion gezählt. Die Aussagen der Statistik stellen die wahren
Verhältnisse in diesem Fall auf den Kopf
Diese hochproblematische Zählweise und Zählverfahren zur Dokumentation von
Coronatoten, die vom RKI bereits Anfang März 2020 eingeräumt wurden, führen
bis heute zu einer Verfälschung und Manipulation der Daten, da sie die
Auswirkungen der Schutzmaßnahmen maskieren und geeignet sind zu
verhindern, die beiden zentralen Gefahren für unsere Gesellschaft (Gefahren
durch Krankheit, Gefahren durch Schutzmaßnahmen) im Vergleich bewerten zu
können. In dieser Verfälschung von elementaren Schlüsseldaten ist der
Grundstein zu falschen Entscheidungen zulasten der Bevölkerung gelegt.
Fazit: Die Berichterstattung in den Lageberichten des BMI war für die Einschätzung der
ganzheitlichen Gefahrenlage, mit der unser Land konfrontiert ist, nicht brauchbar, weil
sie sich ausschließlich mit gesundheitlichen Aspekten befassten. Ein Monitoring über
Kollateralschäden fand nicht statt. Selbst die gesundheitlichen Daten waren nicht
geeignet, um das Ausmaß der Gefahren für unserer Gesellschaft einzuschätzen, sie
waren nicht differenziert genug, insbesondere nicht in den Kontext des Gesamt200507
Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 44 von 83
Sterbegeschehens in unserem Land eingebettet. Die in den Berichten dokumentierten
Daten waren aber nicht nur unbrauchbar, sondern verhinderten oder erschwerten
durch einen Effekt, den ich beispielhaft in Punkt 7. erläutert habe (s.o.), eine
Bestandsaufnahme von weiteren entscheidungsrelevanten Daten, die zudem (noch)
nicht Gegenstand der Lageberichte sind. Abhängig von dem Ausmaß der Um-
Etikettierung steht die Vermutung im Raume, dass die Daten des
Entscheidungsprozesses des Krisenmanagements als manipuliert gelten müssen.
Ich selbst habe schriftlich mehrfach meine Vorgesetzten darauf hingewiesen und konkrete
Vorschläge dazu gemacht, welche aussagekräftigen Daten erhoben, bzw. von den Ressorts
eingefordert werden müssten (Anlage 5). Die Ausführungen enthalten auch umfassende
Erläuterungen zum Verständnis der Funktion der Daten für die Gefahrenbewertung und im
Krisenbewältigungsmechanismus, nicht nur im gesundheitlichen Bereich. Dem Krisenstab
lag ein Teil meiner Analysen und Anregungen/Vorschläge seit dem 23. März 2020 vor
(Anlage 6), eine „Politologische Analyse“ legte ich in erster Fassung am 27. März 2020 vor
(finalisierte offizielle KM 4 – Fassung vom 7. Mai 2020 in Anlage 8).
6.2 Auswertung des neuen Lagebildes des Krisenstabs von BMI und BMG
(ab 8. April 2020)
Ab dem 8. April 2020 wurde die Berichterstattung über die aktuellen Coronadaten in den BMILageberichten
beendet. Es wurde verwiesen auf den gesonderten Lagebericht des
Krisenstabs von BMI und BMG, der die Berichterstattung übernehmen sollte. Auch dieses
neue Format befasst sich mit den gesundheitlichen Aspekten. Ein Monitoring über
Kollateralschäden findet nicht statt.
Vorbemerkung
Daten werden gebraucht, um die Gefährlichkeit des Virus für die Bevölkerung in DEU zu
ermessen. Hier ist die Geeignetheit der Lageberichte für diesen Zweck untersucht.
Ob die Gefahr so groß ist, dass gesonderte Schutzmaßnahmen zu treffen sind, und wie
umfassend die Maßnahmen sein sollten, hängt davon ab, wie viele Personen, nach
professioneller und sehr sorgfältiger Prognose, voraussichtlich zusätzlich zu den
durchschnittlich zu erwartenden Todesfällen unserer Gesellschaft durch den neuen
Virus sterben werden.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 45 von 83
Da auch Schutzmaßnahmen Nachteile und Risiken bergen, einschließlich Todesfällen, ist der
Umfang von Maßnahmen durch Gegenüberstellung der Auswirkungen zu ermitteln
(Auswirkungen ohne und mit Schutzmaßnahmen).
Kritische Anmerkungen (auf der Basis des Berichts vom 9.4.20)
Die Zahl der Fälle umfasst offenkundig Personen, bei denen der Virus nachgewiesen
wurde, nicht die der erkrankten Personen und nicht die der bereits immunisierten.
Durch eine folgenlose Infektion entsteht kein Schaden bei den Infizierten (ebenso bei
leichten bis mittelschweren Krankheitsverläufen sowie Immunisierten). Zur
Einschätzung der Gefahr wird primär die Zahl der an dem Virus so schwer Erkrankten
benötigt, dass sie dadurch sterben könnten, denn das ist Gegenstand der Gefahr, die
das Krisenmanagement des Staates von der Gesellschaft abzuwehren hat. Die Zahl
der symptomlos Infizierten wird gesondert benötigt – zur Einschätzung von
unterrangigen Teilgefahren (Infektionswahrscheinlichkeit). Zahlen eines aktuellen
Berichtswesens sind nur wenn sie in diese beiden großen Blöcke differenziert werden,
als handlungsrelevante Informationen von Bedeutung und können nur in dieser
Zusammenstellung und im Kontext mit anderen Indikatoren zur Maßnahmenplanung
verwertet werden.
Es wird die tägliche Zunahme der Zahlen übermittelt. Es fehlt jedoch die Zahl von im
gleichen Zeitraum durchgeführten Tests, sowie der Anteil der Gründe für das Testen
(wegen coronaspezifischen Beschwerden oder Krankheitszeichen, anderen
Verdachtsmomenten, als Nebenbefund einer anderen Untersuchung, anlasslos, …).
Daraus hätten u.a. Erkenntnisse über den Grad der Durchseuchung gewonnen werden
können.
Todesfälle sind inzwischen offenbar eingegrenzt auf an dem Virus erkrankte Personen
(„2.107 Todesfälle in Zusammenhang mit COVID-19-Erkrankungen“). Es dürfte jetzt
also keine Person mehr mitgezählt worden sein, die zwar den Virus trug, aber nicht an
ihm erkrankt war. Ist das wirklich so? Kann man sich darauf verlassen?
Bei der Analyse der Fälle und der für die Einschätzung der Gefährlichkeit des Virus
besonders wichtigen Todesfälle, wird zwar das Lebensalter statistisch ausgewertet,
nicht jedoch der Zustand der Person („86% der Todesfälle und 16% aller Fälle sind 70
Jahre oder älter“). Bei der Einschätzung der Gefährlichkeit ist von besonderer
Bedeutung, wie groß der Anteil derer ist, die auch ohne Virusinfektion kurz vor dem
Tod standen, bei denen der absehbar bevorstehende Tod mit keinem Mittel hätte
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 46 von 83
verhindert werden können. Dazu werden für den betrachteten Zeitraum die Zahlen
durchschnittlicher Sterbefälle benötigt (nach Todesursachen und ggf. Alter).
Es wird von Häufungen in Pflegeheimen und Krankenhäusern gesprochen („Es häufen
sich Berichte über COVID-19-bedingte Ausbrüche in Alters- und Pflegeheimen sowie
in Krankenhäusern. In einigen dieser Ausbrüche ist die Zahl der Verstorbenen
vergleichsweise hoch.“). Damit war ein Hinweis auf eine extrem dominante Zielgruppe
/ Risikogruppe gegeben. Das hätte zwingend Anlass sein müssen, den
vorhergenannten Aspekt zu überprüfen und eine spezifische Schutzstrategie zu
entwickeln, sowie die allgemeinen Einschränkungen für die breite Bevölkerung zurück
zu nehmen, bzw. dies zu empfehlen.
Zeitlicher Verlauf: Die Grafiken zum zeitlichen Verlauf: Es bleibt offen, ob die
unterschiedliche Erfassungsarten zu Mehrfachzählungen des gleichen Falles führen
können. Besser wäre eine Grafik gewesen, bei der (im Rückblick) die Fälle nach
Ausbruch der Krankheit dargestellt würden (also der für den Prozess relevante
Zeitpunkt) – gemacht wird in der Folgegrafik das Gegenteil, es wird gesondert nach
Meldungstagen aufgeschlüsselt. Deutlich wird aus der ersten Grafik, dass die
Fallzahlen bereits im Sinken waren, als die Maßnahmen beschlossen und umgesetzt
wurden (Ende März 2020).
Demografische Verteilung: Hierbei wäre die Verteilung für die Todesfälle relevant (also
die Zahlen für die größte Gefahr, vor der der Staat schützen soll), nicht die der
Gesamtheit aller Infizierten (also auch aller dauerhaft symptomfreien). Dieser Teil des
Berichts ist zweckfrei.
Klinische Aspekte: „Für 82.187 übermittelte Fälle liegen klinische Informationen vor.“
Analyseergebnisse dieser Stichprobe sind nicht auf die Gesamtzahl übertragbar, da
nicht angegeben wird, wie viel Prozent der Toten auf diesen 75-prozentigen Anteil der
Infizierten entfallen.
Im gleichen Abschnitt wird dann über die 2.107 Verstorbenen gesprochen, also geht es
nicht mehr um die zu Beginn des Abschnitts eingeführten Fälle, für die medizinische
Informationen vorlagen.
Unter Klinischen Aspekten werden weitere demografische Aspekte behandelt: „Der
Altersmedian liegt bei 82 Jahren, die Spanne zwischen 26 und 105 Jahren. Von den
Todesfällen waren 1.819 (86%) Personen 70 Jahre und älter. Im Unterschied dazu
beträgt der Anteil der = 70-Jährigen an allen übermittelten COVID-19-Fällen nur 16%.
– Es häufen sich in den letzten Tagen Berichte über COVID-19-bedingte Ausbrüche in
Alters- und Pflegeheimen sowie in Krankenhäusern. In einigen dieser Ausbrüche ist
die Zahl der Verstorbenen vergleichsweise hoch.“ Da diese Haupt-
Zielgruppe/Risikogruppe offenbar die höchste Altersgruppe ist, auf die auch in
normalen Zeiten der größte Anteil von üblicherweise Versterbenden in DEU entfällt
(jährlich etwa 920.000 in DEU), hätten hier weitere Differenzierung angestellt werden
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 47 von 83
müssen, um für das Krisenmanagement verwertbare Daten zu gewinnen – also Daten,
die wirklich zweckgerichtete Maßnahmen ermöglichen (s.o.).
Die Reproduktionszahl ist ein Abstraktum, das nicht ausreichend erklärt wird. Als
Krisenmanager kann ich nicht erst einem angegebenen Link folgen und mich in eine
wissenschaftliche Methodik einarbeiten, bevor ich meine Arbeit fortsetze. Ein
Krisenmanagement kann damit nicht viel anfangen. Diese Zahl in dem Bericht
aufzuführen, dient nicht der besseren Orientierung, sondern der Verwirrung des
Krisenmanagements. Das gilt insbesondere, da diese Zahlen ohnehin als unsicher
beschrieben werden und/oder auf Zahlen beruhen, die ebenfalls unsicher sind.
Daten zu den Intensivbetten sind unzuverlässig, weil das Erfassungssystem umgestellt
wurde. Informativ wäre den Auslastungsgrad der verfügbaren Kapazitäten auf einen
Blick zu sehen.
„Ergebnisse aus weiteren Surveillance-Systemen des RKI zu akuten respiratorischen
Erkrankungen“: Mit den aufwendigen Schutzmaßnahmen verbreiteten sich – wie zu
erwarten war – auch alle möglichen anderen Krankheiten. „Die kontaktreduzierenden
Maßnahmen, die in ganz Deutschland durchgeführt werden, haben scheinbar deutlich
zur Reduktion der Übertragung akuter Atemwegserkrankungen beigetragen.“ – Diese
Information ist unvollständig und muss in handlungsrelevante Aussagen umformuliert
werden, etwa so: „Durch die sozialen Isolations- und Distanzierungsmaßnahmen
wurden Erkrankungen nicht aufgehoben, sondern aufgeschoben.“ Es fehlen Angaben
oder Prognosen für die Alternativstrategie der schnellen Durchseuchung. Diese
Informationen sind unvollständig und somit für die Entscheidungsfindung über
Maßnahmen irrelevant, solange Schlüsseldaten nicht vorliegen – z.B. zum
gegenwärtigen Durchseuchungsgrad und zur Abgrenzung der gezielten
Durchseuchungsstrategie.
Anmerkung zur Durchseuchung: Den Durchseuchungsgrad repräsentativ zu erheben
dauert meiner Kenntnis nach zwischen 7 und 10 Tagen. RKI hat am 8. April
angekündigt, Studien dazu zu starten. Es ist außerdem völlig unerklärlich (und ein
schwerer technischer Fehler des Krisenmanagements), dass diese noch nicht
durchgeführt wurden, insbesondere nachdem diese Studien seit Wochen öffentlich
gefordert wurden.
Bei den komplizierten und verwirrenden Ergebnisse aus den Surveillance-Systemen
des RKI ist nicht nachvollziehbar, was sie zu der Gefahreneinschätzung durch das
Krisenmanagement beitragen können.
Risikobewertung durch das RKI: Diese Risikobewertung mag für eine ganz spezielle
Sicht von Wissenschaftlern und Fachstatistikern nachvollziehbar sein. Für die
Einschätzung der Gefahren, die von dem Virus für die Gesamtbevölkerung ausgehen,
ist diese Bewertung des RKI nicht verwertbar:
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 48 von 83
o „Es handelt sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und
ernst zu nehmende Situation.“ Damit ist nicht viel gesagt. Woran macht sich
fest, dass die dynamische Situation ernst zu nehmen ist? Was genau bedeutet
„ernst nehmen“ in diesem Zusammenhang? Ob und wie ernst die Entwicklung
genommen werden muss, entscheiden die Krisen-Manager, nicht die
wissenschaftlichen Berater (denn die kennen offenbar die
Abgrenzungsindikatoren für die gesellschaftliche Risikoermittlung nicht).
o „Bei einem Teil der Fälle sind die Krankheitsverläufe schwer, auch tödliche
Krankheitsverläufe kommen vor.“ Für den bundesweiten Bevölkerungsschutz
muss die zu erwartende Wirkung auf das gesamte Land betrachtet werden. Für
das IT-Sicherheitsgesetz wurde bei vielen Sektoren/Branchen eine Betroffenheit
von 500.000 Bürgern als relevante Größenordnung festgelegt. Dabei ging es
zwar nicht um Menschenleben und Lebenszeit von Menschen, aber es wird
deutlich, dass die Bewertung von Risiken, wie z.B. von tödlichen
Krankheitsverläufen, immer von deren Menge in Bezug auf die Gesamtzahl
abhängt.
o „Die Zahl der Fälle in Deutschland steigt weiter an.“ Diese Aussage alleine führt
zu keiner sinnvollen Erkenntnis für das Krisenmanagement (s.o.).
o „Die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland wird
derzeit insgesamt als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen als sehr hoch.“ Aus
den vorgenannten Zahlen ist noch nicht ableitbar, dass „die“ Gesundheit einer
Bevölkerung von 80 Mio. Menschen hoch gefährdet ist – an der normalen
Grippe sind in den letzten Jahren teilweise mehr als zehn Mal so viele
Menschen gestorben, wie bisher dieses Jahr im Zusammenhang mit Corona
verstarben. Wichtiger ist jedoch: Ohne Kenntnis der Zahlen von explizit an
Corona verstorbenen und ohne Kenntnis des Durchseuchungsgrads der
Bevölkerung können gar keine Aussagen zur Gefährdung der Bevölkerung
gemacht werden!
o Wie auch immer man einen Wirkungsvergleich zwischen Corona und Influenza
im Einzelnen beschreiben möchte, angesichts der folgenden Vergleichszahlen
bedarf es einer wirklich überzeugenden zusätzlichen Erklärung und
Legitimierung für die im Zusammenhang mit Corona ergriffenen schweren
Schutzmaßnahmen:
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 49 von 83
Todesfälle
durch
Influenza
in 2017/18
Zusätzlich
ergriffene
Schutzmaßnahmen
Todesfälle
durch
Corona
in 2020
Zusätzlich
ergriffene
Schutzmaßnahmen
in DEU 25.000 keine ca. 5.500 umfassende
Maßnahmen;
zu einer schweren
Wirtschafts- und
Gesellschaftskrise
führend
weltweit 1.500.000
(1,5 Mio.)
keine ca. 200.000 differenzierte
Maßnahmen;
unterschiedlich
ausgeprägt
o „Die Wahrscheinlichkeit für schwere Krankheitsverläufe nimmt mit
zunehmendem Alter und bestehenden Vorerkrankungen zu. Diese Gefährdung
variiert von Region zu Region.“ Das ist kein Alleinstellungsmerkmal für Corona,
sondern trivial, so isoliert betrachtet ohne weiteren Erkenntnisgewinn.
o „Die Belastung des Gesundheitswesens hängt maßgeblich von der regionalen
Ausbreitung der Infektion, den vorhandenen Kapazitäten und den eingeleiteten
Gegenmaßnahmen (Isolierung, Quarantäne, soziale Distanzierung) ab und
kann örtlich sehr hoch sein.“ Das sind relative Aussagen und Trivialitäten, die
für die Bewertung von Gefahren keine konkret messbaren oder überprüfbaren
Anhaltpunkte bieten.
o „Diese Einschätzung kann sich kurzfristig durch neue Erkenntnisse ändern.“ Die
Einschätzung des RKI ist für langfristig wirksame Maßnahmen offenbar
grundsätzlich nicht verwertbar.
Ergänzung: Auch am 7. Mai 2020 enthielt der Lagebericht des Krisenstabs BMI-BMG immer
noch keine Dokumentation der Kollateralschäden!
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 50 von 83
Zusammenfassendes Fazit:
Die Bewertungen der zuvor unter 6.1. untersuchten BMI-Lageberichte (Fazit) treffen
auch für den hier zu beurteilenden Lagebericht des Krisenstabs zu.
Die vom RKI gelieferten Daten sind als Grundlage für die Entscheidungsfindung nicht
zu gebrauchen. Die Bewertungen des RKI sind durch die vorgelegten Daten nicht
gedeckt. Die Bewertungen sind vielfach spekulativ, teilweise unplausibel. Leider
besteht der Lagebericht des Krisenstabs alleine aus einer Aufbereitung dieser Daten.
Es ist erforderlich, spezifische Daten von BMG einzufordern oder durch BMI selbst zu
beschaffen, um die Gefahren des Coronavirus auf unsere Gesellschaft endlich in
angemessener Genauigkeit einschätzen zu können und die Maßnahmen an dieser
Einschätzung auszurichten.
Die einseitige Heranziehung von Daten und Einschätzungen das RKI für den
Entscheidungsprozess des Krisenmanagements ist angesichts der Vielfalt von
verfügbaren Instituten, Einrichtungen und Experten nicht akzeptabel. Wegen der
weitreichenden Auswirkungen der eingeleiteten Schutzmaßnahmen wird von der zu
Grunde gelegten Datenbasis und deren Interpretation das künftige Schicksal unserer
Gesellschaft abhängen. Es ist aus Bevölkerungsschutzperspektive zwingend
erforderlich, verschiedene auch untereinander im Wettbewerb stehende Quellen zu
erschließen.
Eine ausführliche Erläuterung des Datenbedarfs für den Entscheidungsprozess findet sich,
wie bereits erwähnt, in Anlage 5.
6.3 Ergänzende Auswertung einer neueren Ausgabe des Lageberichts des
gemeinsamen Krisenstabs BMI-BMG – Konkret untersuchte Fassung vom 22.
April 2020
Der Lagebericht sollte eine wichtige Entscheidungsgrundlage für das Krisenmanagement
sein. Tatsächlich kann er nicht viel beitragen. Der Bericht wurde mit der Zeit immer
ausführlicher. Am 8. April startete er noch mit 8 Seiten, nunmehr sind es 16. Der Gehalt an
entscheidungsrelevanten Informationen ist genauso gering wie zu Beginn.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 51 von 83
Daten in dieser aktuellen Grafik werden nicht in einen Zusammenhang gebracht, der eine
Bewertung und einen Vergleich von Gefahren und Risiken zuließe.
(Quelle: aus dem untersuchten Lagebericht, Seite 2)
Zum Vergleich wird hier beispielhaft die Entwicklungskurve von Influenzafällen in der
Grippesaison 2017/18 (nach RKI) betrachtet. Der Anstieg der Kurve steigt steiler an als bei
Covid-19 (trotz geringerer Übertragbarkeit), und sinkt noch deutlich steiler wieder ab.
(Quelle: RKI)
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 52 von 83
Es steht zu befürchten, dass die in DEU getroffenen Schutzmaßnahmen dadurch, dass sie
eine Durchseuchung verhindern (verlangsamen), zugleich ein schnelles Erreichen des Endes
der (gesundheitlichen) Krise – und natürlich ein Abbremsen aller Kollateralschäden –
verhindern. Überprüfen ließe sich das mit einer korrekten Gefahrenanalyse und –bewertung,
z.B. nach der in dieser Ausarbeitung beschriebenen Methode.
Eine über Seiten reichende detaillierte Analyse von Intensivkapazitäten und
Krankenhausbetten wird gar nicht benötig. Es reicht deutlich zu machen, dass die
Kapazitäten bei weitem nicht ausgelastet sind und wie groß die Reserven sind. Außerdem
müsste ebenso akribisch erfasst werden, wie viele OPs wegen der einschränkenden
Maßnahmen nicht durchgeführt werden konnten (gegenüber Durchschnittswerten und konkret
abgesagten Terminen) und welche Schäden (einschl. Todesfälle) dadurch bisher entstanden
sind.
Die Daten und Erläuterungen zu Testkapazitäten enthalten teilweise irrelevante
Informationen (Anzahl der meldenden Labore), unvollständige Angaben (Unterscheidung in
anlasslose Test und Verdachtfälle, ggf. postmortem), vor allem aber wird nicht deutlich, was
damit ausgesagt werden soll. Die entscheidende Zahl fehlt immer noch: der ungefähre
Durchseuchungsgrad der Gesellschaft in DEU. Dazu wird noch nicht einmal eine Vermutung
angestellt.
Die Testkapazitäten sind inzwischen insgesamt hoch. Wenn der Preis pro Test immer noch
bei 200 Euro liegen würde, hätten die Tests bis heute 6 Mrd. Euro gekostet. Es fehlt eine
Angabe über die Gesamtzahl der Tests und der Kosten, weil das ein relevanter Faktor für die
Testoptionen darstellt. Auch unter Wirtschaftlichkeitsaspekten sollte das Testen untersucht
werden: Brauchen wir die vielen Tests eigentlich überhaupt noch? Welchen Nutzen genau
erzielen wir aus derartig vielen Testungen und Daten? Welche Relevanz haben die Testdaten
für die Entscheidungen des Krisenmanagements. Könnten die Informationen anders (billiger)
gewonnen werden? Wer verdient alles daran? Außerdem fehlen Angaben zur Genauigkeit
der Tests.
Es entsteht teilweise der Eindruck von „Gestaltung“ von Informationen. Das begrenzt die
Verwertbarkeit des Lageberichts zusätzlich.
Seite 12 (tendenziös) im Kontext mit extremistischen Gruppen: „Der Bundesregierung
wird eine gezielte Desinformationskampagne über die Pandemie vorgeworfen.“
Die von der Bundesregierung zur Begründung ihrer Maßnahmen vorgetragenen
Informationen waren für eine Bewertung der Gefahrenlage unbrauchbar, wie meine
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 53 von 83
ausführliche Analyse zeigt. Das dies von Außenstehenden als
Desinformationskampagne interpretiert wird, ist eine adäquate (nachvollziehbare)
Wahrnehmung. Wenn die Information hier im Kontext mit extremistischen Gruppen
gegeben wird, werden berechtigte Vorbehalte, die es in der Gesellschaft gibt, mit
Extremismus gleichgesetzt. Dies führt zu einer Verharmlosung des Extremismus. Und
zu einer Diskriminierung von Teilen der Bevölkerung, die ihren Verstand gebrauchen.
Seite 12: „Eine Zunahme der Gewalt in Familien und Beziehungen lässt sich in
Hellfelddaten derzeit nicht erkennen. Die Telefon- und Online-Beratung des
Bundesfamilienministeriums verzeichnete für den März jedoch zweistellige Zuwächse
im Vergleich zu den Vormonaten.“
Es ist unbedingt von einer starken Zunahme der Gewalt in Familien und Beziehungen
auszugehen. Dass es keine Erkenntnisse aus dem Hellfeld gibt, ist kein Indiz dafür,
dass es nicht so wäre. Hier wird durch selektive Darstellung und Rückgriff auf
unbrauchbare Daten der Eindruck erweckt, es gäbe keine nennenswerten Probleme
mit häuslicher Gewalt und indirekt: die getroffenen Maßnahmen sind halb so schlimm.
Die Auslastung von Plätzen in Frauenhäusern ist bekannt, das wäre ein besseres
Indiz.
Seite 14: Andere relevante wie wirtschaftspolitische Eckdaten finden sich in dem Lagebild nur
für andere Staaten und die EU, nicht aber für DEU. Das ist angesichts der auflaufenden
hohen Kollateralschäden unverständlich. Es beweist leider erneut, dass das
Krisenmanagement auch am 22. April 2020 einen Abgleich von Gefahren nach wie vor nicht
vornehmen kann und nicht vornimmt.
Aufwand für BW wird auf Seiten 15 und 16 grafisch aufwendig aufbereitet dargestellt. Dies ist
eher eine Schau der eingesetzten Kapazitäten, als nützliche Information für die
Entscheidungsfindung.
Insgesamt ist erschreckend, dass nach den vielen bereits vergangenen Wochen der
Krise, und einer breiten öffentlichen Diskussion immer noch keine Lagebeschreibung
verfügbar ist, die Anhaltspunkte zur Einschätzung der bestehenden Gefahren bietet.
6.4 Auswertung der Rahmenvorgaben zum Krisenmanagement
Maßstab für die Arbeit eines Krisenmanagements ist der Normalzustand.
„Unter dem Begriff Krisenmanagement wird die Schaffung von organisatorischen und
verfahrensmäßigen Voraussetzungen verstanden, die eine schnellstmögliche Zurückführung der
eingetretenen außergewöhnlichen Situation in den Normalzustand unterstützen.“ („Information der
Mitarbeiter/innen des BMI über Strukturen und Verfahren des Krisenmanagements“ aus 2014, Seite 3)
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 54 von 83
Das muss folglich auch für das Sterbegeschehen gelten. Es müssten Daten für den
Normalzustand herangezogen werden, und es müsste ein Abgleich mit den aktuellen ist-
Zahlen vorgenommen werden. Für das rechnerische Delta müsste erfasst werden, welcher
Anteil auf den Krankheitserreger entfällt, und welcher auf die Kollateralschäden.
„Der Krisenstab des BMI ist das zentrale Krisenreaktionsinstrument, dessen Struktur auch die
Grundlage für die Gemeinsamen Krisenstäbe des BMI mit dem BMUB sowie des BMI mit dem BMG
bildet.“ (ebd., Seite 6)
Im Konzert der Krisenbewältigungsinstrumente ist der gemeinsame Krisenstab von BMI und
BMG das handlungsauslösende Element. Die Leitung des Krisenstabs wird durch einen
Staatssekretär oder Minister wahrgenommen wird:
„Den Kern [des Krisenstabs] bilden die Mitglieder des Krisenstabes (AL Z, AL KM, AL B, IT-Direktor,
Pressesprecher und Leiter Lagezentrum) unter Leitung eines Staatssekretärs bzw. von Herrn Minister.
Der Leiter des Krisenstabes wird durch persönliche Assistenzdienste in einem Geschäftszimmer
unterstützt. Ständiger Vertreter ist der Leiter der Abteilung ÖS in polizeilichen Lagen bzw. der Leiter der
Abteilung KM in nichtpolizeilichen Lagen.“ (ebd., Seite 6)
Da es sich bei der Coronakrise um eine primär nicht-polizeiliche Lage handelt, ist der AL der
Abteilung KM der vorgesehene Vizevorsitzende des Krisenstabs.
„In diesem Sinne haben sich BMI und BMUB im Falle von gravierenden Gefahren– und Schadenslagen
durch Straftaten mit radioaktiven Stoffen sowie BMI und BMG im Falle einer Pandemie und des
Bioterrorismus auf die Bildung gemeinsamer Krisenstäbe nach dem Modell des Krisenstabes BMI
verständigt. Durch die Bildung gemeinsamer Krisenstäbe werden ressortspezifische Interessen
gebündelt und ein einheitlicher ressortgemeinsamer Krisenbewältigungsansatz gewählt, der die
Möglichkeiten einräumt, alle vorhandenen Handlungsoptionen ergänzend auszunutzen. Sie bilden die
Ausnahme zu dem sonst gültigen Ressortprinzip.“ (ebd., Seite 6)
In der Coronalage ist davon abgewichen worden. Vizevorsitzender ist AL ÖS. AL KM wird
(laut Organigramm des Krisenstabs vom 23.3.2020) lediglich „bei Bedarf“ hinzugezogen. Es
muss hier offen bleiben, ob das geschehen ist, weil der Krisenstab Bioterrorismus als
Pandemiehintergrund vermutet (in dem Falle wäre AL ÖS regulär Vizevorsitzender des
Krisenstabs, s.o.).
Im Falle der Pandemie mussten (wegen des sehr starken Risikos von Kollateralschäden)
zusätzlich die Ressorts Wirtschaft, Finanzen und Soziales eingebunden werden. Das ist
geschehen.
Aufgrund der Grundsatzzuständigkeit für KRITIS wäre hilfreich, wenn BMI die Einbindung der
Ressorts hinsichtlich möglicher KRITIS-Kollateralschäden koordinieren würde (KM, ggf. mit
CI). Das bietet sich an, da in einer Pandemie Kritische Infrastrukturen in allen Sektoren
gleichermaßen betroffen sind und ansonsten keine Gesamtlage ermittelt wird (sektorale
Ressortzuständigkeit). Bei einer Neufassung der Rahmenvorgaben für die Krisenreaktion auf
eine Pandemie, sollte für diesen Funktionsbedarf eine Lösung gefunden werden.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 55 von 83
„Er [der gemeinsame Krisenstab BMI-BMG] ist das zentrale Krisenreaktionsinstrument des BMI und des
BMG und soll ein bundeseinheitlich koordiniertes Vorgehens im Gesundheitsschutz in Abstimmung mit
den Krisenstäben der Länder sicherstellen.“ (ebd., Seite 9)
Dass der Krisenstab in einer Pandemie ausschließlich die Aufgabe hat, den
Gesundheitsschutz sicher zu stellen, erscheint als Mangel in den Rahmenvorgaben zur
Krisenbewältigung einer Pandemie.
„Der Gemeinsame Krisenstab wird regelmäßig gemeinsam durch den/die Sicherheitsstaatssekretär/in
des BMI und den/die Staatssekretär/in des BMG geleitet, sofern nicht der Minister/die Ministerin oder
ein(e) andere(r) Staatssekretär/in die Leitung übernimmt oder einem zuständigen Fachabteilungsleiter
die Leitung übertragen wird. Ständiger Vertreter des/der Sicherheitsstaatssekretärs/in des BMI ist der
Leiter der Abteilung KM im BMI, im Falle bioterroristischer Gefahren- und Schadenslagen der Leiter der
Abteilung ÖS im BMI.“ (ebd., Seite 9)
„Das BMG wird auf Ebene der Abteilungsleiter (Mitglied des Gemeinsamen Krisenstabes) durch den/die
Abteilungsleiter/in 3 sowie einen eigenen Stabsbereich Gesundheitsgefahren im Gemeinsamen
Krisenstab vertreten.“ (ebd., Seite 9)
Das BMG ist lediglich auf AL Ebene im Krisenstab vertreten. BMI ist in der komfortablen
Position, den stärkeren Einfluss auf das Krisenmanagement ausüben zu können. Im Falle
einer Pandemie ist das hilfreiche – allerdings nur, wenn eine angemessene Gefahrenanalyse
und -bewertung durchgeführt wird. Das ist in der Coronakrise bis Anfang Mai 2020 nicht der
Fall. Eine eigene Gefahrenanalyse und -bewertung der Gesamtlage durch das BMI gibt es in
der Coronakrise nicht. Für die Lageberichte des gemeinsamen Krisenstabs mit BMG wurden
zu Beginn ausschließlich Datenaufbereitungen und -bewertungen aus dem Geschäftsbereich
des BMG herangezogen, später wurden diese durch einzelne Klein-Beiträge des BMI mit
sicherheitspolitischem Bezug und beliebig erscheinenden internationalen Meldungen ergänzt.
Die Risikoeinschätzung wurde in dieser Krise in jedem Moment alleine von der
Gesundheitspolitik bestimmt. Das muss als weiterer Mangel angesehen werden.
Zusammenarbeit mit den Ländern in einer Pandemie
Das gemeinsame Kriseninstrument von Bund und Ländern ist die sogenannte IntMinKoGr,
die „Interministerielle Koordinierungsgruppe des Bundes und der Länder“:
„Die IntMinKoGr ist das gemeinsame Koordinationsgremium des Bundes und der Länder bei Gefahrenund
Schadenslagen, die im Rahmen der üblichen Amtshilfe voraussichtlich nicht bewältigt werden
können. Dazu zählen im Wesentlichen lang anhaltende und großflächige Schadens- und Gefahrenlagen
(z.B. Unfälle in Kernkraftwerken im In- und Ausland, Pandemien, Naturkatastrophen erheblichen
Ausmaßes), von denen mehrere Bundesländer betroffen sind und ein hoher Beratungs- und
Abstimmungsbedarf besteht. Die IntMinKoGr hat die Aufgabe die betroffenen Länder zu beraten und zu
unterstützen sowie die Entscheidungsfindung der Bundesressorts zu koordinieren.“ (ebd., Seite 10)
Die IntMinKoGr hat die Aufgaben, „auf eine bundesressort– und länderübergreifende
Vorgehensweise hinzuwirken“ und „auf Grund von Fachexpertisen die im Krisenmanagement
Handelnden zu beraten“.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 56 von 83
In der Coronakrise erfolgte die Beratung der Länder auf Basis der Risikoanalyse des
gemeinsamen Krisenstabs BMI-BMG (niedergelegt in den Lageberichten). Da die
Risikoanalyse einseitig auf gesundheitspolitische Aspekte fokussiert war und eine
eigenständige ganzheitliche Gefahrenanalyse und -bewertung gar nicht stattgefunden hat,
konnte auch die Beratung der Länder nur defizitär sein. Auf dieser Basis wurden jedoch
weitreichende Entscheidungen getroffen.
Das u.a. für die Entwicklung von Methoden zur Risikoanalyse zuständige BBK, nimmt
(unterstützt durch das BMI-Lagezentrum) in der Krise die Aufgabe einer Geschäftsstelle der
IntMinKoGr wahr:
„Die Aufgaben der GSt IntMinKoGr werden vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und
Katastrophenhilfe (BBK) unter Einbeziehung der Ressourcen des Gemeinsamen Melde- und
Lagezentrums von Bund und Ländern (GMLZ) wahrgenommen. Das BBK stellt das Personal für die GSt
IntMinKoGr. Das Lagezentrum des BMI unterstützt die Arbeit und die Sicherstellung des Betriebes der
GSt IntMinKoGr am Dienstsitz des BMI in Berlin.“ (ebd., Seite 11)
Das in Fragen der Risikoeinschätzung auch in Pandemielagen besonders qualifizierte und
erfahrene BBK eng in das Krisenmanagement einzubinden ist ein richtiges Element.
Die Rolle der Kanzlerin
Im Falle einer besonders schweren Krise übernimmt die Bundeskanzlerin die Koordination
und Führung.
„Für das Krisenmanagement auf Bundesebene ist in Abhängigkeit von der konkreten Gefahren– oder
Schadenslage das jeweils fachlich überwiegend zuständige Ressort federführend. Die Bundeskanzlerin
kann jedoch die Zuständigkeit für die Koordination / Führung, vor dem Hintergrund der besonderen
Bedeutung einer eingetretenen Lage, übernehmen.“ (ebd., Seite 14)
Es bleibt unklar, was diese „Führungsrolle“ bedeutet. Es könnte z.B. bedeuten, dass die
Bundeskanzlerin die vom Krisenstab vorbereiteten Entscheidungen nach außen vermittelt
(wie eine Sprecherfunktion, in Kombination mit einer Art massenpsychologischer Betreuung
der Bevölkerung). Es könnte aber auch bedeuten, dass die Bundeskanzlerin völlig frei nach
Lust und Laune, oder auch nach eigenen festen Kriterien entscheidet. unterschreibt Es gab
Besprechung im Kanzleramt. In allen Ergebnisprotokollen, die ich gesehen habe, wurden die
gleichen Lageberichte und Daten zugrunde gelegt, wie im gemeinsamen Krisenstab von BMI
und BMG. Auf der politischen Ebene hat sich der Fehler der unterbliebenen umfassenden
und systematischen Gefahrenanalyse und –bewertung unmittelbar ausgewirkt und aller
Wahrscheinlichkeit nach zu schwerwiegenden Fehlentscheidungen geführt.
„In den Ressorts, die zu einer Bewältigung einer Gefahren- oder Schadenslage beitragen können,
wurden Vorkehrungen (z.B. organisatorisch-technische Vorbereitungen, Erreichbarkeitsregelungen)
getroffen, um kurzfristig spezifische Krisenstäbe aufrufen zu können. Der Krisenstab des federführenden
Ressorts übernimmt die Koordinierung im Bund sowie die Abstimmung mit den von der Gefahren- oder
Schadenslage betroffenen Ländern.“ (ebd., Seite 15)
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 57 von 83
Die „lagebezogene Koordination der Ressorts der Bundesregierung und die Abstimmung mit
den betroffenen Ländern“ obliegt dem den Krisenstab der federführenden Ressorts. Das
bedeutet, dass die Lageberichte des Krisenstabs die Grundlage für alle Interventionen sein
müssten:
„Durch das in den letzten Jahren geschaffene System des Krisenmanagements auf Bundesebene wird
sichergestellt, dass die lagebezogene Koordination der Ressorts der Bundesregierung und die
Abstimmung mit den betroffenen Ländern durch den Krisenstab des federführenden Bundesressorts
gewährleistet werden. Damit ist eine vormals der Interministeriellen Koordinierungsgruppe zugeordnete
Aufgabe in das bestehende System des Krisenmanagements übergegangen.“ (ebd., Seite 16)
Hausanordnung Gruppe 4 Blatt 1 „Krisenstab und Koordinierungsstab“
Nachrichten und Informationen, die für die Beurteilung von besonderen Lagen bedeutsam
sind, werden von den KoSts der Stabsbereiche dem Lagezentrum im Krisenstab zur Kenntnis
geben.
„Das Lagezentrum im Krisenstab steuert die Informationen an die KoSt der Stabsbereiche, die wiederum
die aufgabenbezogene Weiterleitung an die Leitung des Stabsbereiches und die jeweils betroffenen
Organisationseinheiten sicherstellen. Zugleich gewährleisten die KoSt, dass die für die Beurteilung
von besonderen Lagen bedeutsamen Nachrichten und Informationen, die Erfüllung von Aufträgen
sowie personelle Veränderungen in der Besetzung der Stabsbereiche des Krisenstabes unverzüglich
dem Lagezentrum im Krisenstab zur Kenntnis gelangen.“ (Seite 3)
Die Koordinierungsstellen sind dafür zuständig, dass dem Krisenstab alle für die Beurteilung
von besonderen Lagen bedeutsamen Informationen zur Verfügung gestellt werden. Das ist
nicht geschehen.
Auf die von KM 4 dem Stabsbereich zugeleiteten Informationen (Analysen und Berichte)
erfolgte keine Reaktion.
6.5 Zwischenbilanz der Bundesregierung
Am 7. Mai 2020 erschien eine “Zwischenbilanz der Bundesregierung”
(https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/gegen-corona-pandemie-1747714)
Das Dokument ist übertitelt: “Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der COVID-
19-Pandemie und zur Bewältigung ihrer Folgen”. In dem Papier wird vorausgesetzt, dass eine
Gefahr durch Covid-19 besteht, beschrieben wird die Gefahr nicht. Sie wird nicht einmal
genannt. Sie ist quasi schon da, bevor das Papier einsetzt. In dem 22-seitigen Bericht gibt es
an keiner Stelle eine Beschreibung der Gefahren und auch keinerlei Dokumentation einer
systematischen Abwägung von Maßnahmen mit ihren Nebenwirkungen.
Zu Beginn heißt es: „Die COVID-19-Pandemie hat weltweit für alle Länder außerordentliche
Belastungen zur Folge. Auch in Deutschland sind Wirtschaft, Sozialstaat, Gesundheitssystem
und Gesellschaft massiv unter Druck geraten. Als weltweit vernetztes Land, aber auch als
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 58 von 83
wichtiger Mitgliedstaat der EU steht Deutschland damit vor der größten Herausforderung seit
dem Ende des Zweiten Weltkriegs.“
Auf den Seiten 7 und 8 wird in zwei eingeschobenen Textkästen die „Entwicklung wichtiger
Kennziffern und Quellen (Stand: 22. April)“ dargestellt. Auch hier werden keine Gefahren
beschrieben, sondern es werden einige der bekannten Datenkategorien genannt, die ohne
Interpretation oder Erläuterung des Kontextes eine Einschätzung der Gefährlichkeit des Virus
eben gerade nicht ermöglich, z.B. die Zahl gemeldeter Neuinfektionen, der Anstieg von
Testkapazitäten, die verfügbaren Intensivbetten und die Versorgung mit Schutzausrüstung.
Die eigentlichen Schäden (Tote) kommen nicht vor.
6.6 Könnte es eine Gefahrenanalyse und –bewertung außerhalb des
Lageberichts des Krisenstabs gegeben haben (oder noch geben)?
Die Sorgfaltspflicht gebietet es, in Erwägung zu ziehen, dass möglicherweise außerhalb der
Lagebilder eine Gefahrenanalyse und –bewertung – wie von mir gefordert – durchgeführt
wurde. Mir ist zwar kein vergleichbares Dokument begegnet oder eine diesbezügliche
Aktivität bekannt geworden, dass muss aber nicht bedeutet, dass es eine solche nicht gibt.
Denn Referat KM4 ist möglicherweise in derartige Aktivitäten nicht einbezogen worden.
Dagegen spricht allerdings:
Laut den Hausanordnungen des BMI, die alle Arbeitsabläufe und alle sonstigen
Vorgaben der Krisenbewältigungsmechanismen definieren, ist der Krisenstab dafür
zuständig, alle Entscheidungen zu treffen oder zumindest vorzubereiten.
Es mag im Bundeskanzleramt, im BMI oder auch in andern Häusern gesonderte
formelle und informelle Besprechungsrunden geben (z.B. Corona-Kabinett), die auch
eine Art von Lageberichten produzieren. Diese hätten jedoch auch im Krisenstab
zusammengeführt und konsolidiert werden müssen. Ohne die üblichen
Abstimmungsverfahren zwischen den Ressorts (und ggf. mit den Ländern) ist das
jedoch nicht denkbar.
Wenn umfassende Aufstellungen und Berichte, die „sorgfältige Abwägungen“ enthalten
sollten (wie von BK und den MP der Länder in ihrem veröffentlichten Beschluss vom
- April 2020 behauptet wird1) existierten, hätten sie in den Sitzungen des
Krisenstabs behandelt werden müssen oder diesem zumindest zur Kenntnis gegeben
werden müssen. Die Regierungen (Bund+Länder) haben sich an keiner (hier
bekannten) Stelle auf andere Grundlagen für Ihre Entscheidungen berufen, als die
1 „Bund und Länder wägen bei allen Entscheidungen deren Wirkung in gesundheitlicher, sozialer und wirtschaftlicher
Hinsicht sorgfältig gegeneinander ab.“ (Protokoll der Telefonschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den
Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 30. April 2020, Seite 1)
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Lageberichte des Krisenstabs und die des RKI (die regelmäßig Bestandteil der
Krisenstabslageberichte sind).
Eine Durchsicht der „Ergebnisprotokolle der 15., 16. und 17. KriSta-Sitzung BMG-BMI“,
die mit etwas zeitlichem Verzug am heutigen 7. Mai 2020 um 17:59 Uhr innerhalb des
Krisenstabs verteilt wurden, ergibt, dass weder sorgfältige noch sonst irgendwelche
Abwägungen mit Kollateralschäden vorgenommen wurden. In der 14. Sitzung wurde
jedoch einmal über das Lagebild gesprochen (s.u.). Aus dieser Befassung kann
geschlossen werden, dass auch die Bundeskanzlerin auf die bekannten Lagebilder
zurückgreift.
Beispielhafte Auswertung der Sitzungen 15, 16 und 17 (nach Aktenlage), sowie des
Protokolls der 14. Sitzung:
An den Sitzungen des Krisenstabs nahmen zwischen 29 und 38 Personen teil. Die meisten
kamen aus dem BMI und dem BMG. Die übrigen aus BMWi, BMF, BMVI, BMVg, AA, BMAS,
und dem RKI sowie dem BK. Bei der Beteiligung der Ressorts fällt auf, dass RKI und BMF
gleichermaßen (aber nicht an den gleichen Tagen) zu einer Sitzung nur einen Vertreter
schickten, zu einer anderen Sitzung zwei, und in einer Sitzung gar nicht vertreten waren. Das
überrascht insbesondere bei dem Finanzressort, welches die finanziellen Mittel für alle
Aktivitäten bereitstellen muss. Der Krisenstab tagte zweimal pro Woche für jeweils zwei
Stunden.
28.4.20 (17. Sitzung, 2 h) 38 TN: 16 BMI, 11 BMG, 2 BK, 2 BMWi, 2 BMVI, 2 BMVg, 2 AA, 1 BMAS, 1
BMF, 0 RKI
23.4.20 (16. Sitzung, 2 h), 34 TN: 15 BMI, 6 BMG, 1 BK, 2 BMWi, 1 BMVI, 2 BMVg, 2 AA, 1 BMAS, 2
BMF, 2 RKI
21.4.20 (15. Sitzung, 2 h), 29 TN: 13 BMI, 6 BMG, 2 BK, 2 BMWi, 1 BMVI, 2 BMVg, 1 AA, 1 BMAS, 1
RKI
Aus den Sitzungen des Krisenstabs:
In der 14. Sitzung wurde zum Thema „Lagebild“ im Sitzungsprotokoll festgehalten,
o dass die Bundeskanzlerin das Lagebild als sehr hilfreich erachtete und es
gerne noch um Beschaffungen erweitert sehen würde – insbesondere im
Hinblick auf Schutzmasken.
o BMI und BMG kündigten an, der Bitte nachzukommen, erklärten jedoch, dass
eine tagesaktuelle Bereitstellung der Beschaffungsdaten schwierig sei und
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wöchentliche Aktualisierung in den Lageberichten dafür ausreichten. BMWi
wolle künftig Beiträge zur Produktion der Schutzausrüstung erstellen.
In der 15. Sitzung kündigte RKI Ergebnisse einiger Studien für Ende Mai und Ende
Juni an.
In keiner Sitzung wurde über die Gesamtkosten der Schutzmaßnahmen oder den
Neuverschuldungsbedarf diskutiert und auch die Auswirkungen auf die Wirtschaft
und die Entwicklung am Arbeitsmarkt wurden nicht behandelt. Auch die
gesundheitlichen Kollateralschäden (einschl. Todesfälle) waren kein Thema.
In zwei Sitzungen (15., 17.) wurde über die Lage in einer (einzigen) Kritischen
Infrastruktur gesprochen (Telekommunikationsunternehmen). Der Status von
KRITIS in DEU insgesamt stand bei keiner der untersuchten Sitzungen auf der
Agenda.
Mit einem Papier vom 28.4. informiert das RKI in der 17. Sitzung im Zusammenhang
mit Aktivitäten der EU darüber, dass die Reproduktionszahl R geringe Rückschlüsse
auf wesentliche Indikatoren böte.
Dieser eigentlich katastrophale Befund deckt sich nicht ganz mit dem, was die Regierungen
der Öffentlichkeit vermittelt:
Die politische Führung von Bund und Ländern reklamiert für sich, dass bei allen
Entscheidungen, deren Wirkung „in gesundheitlicher, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht“
sorgfältig gegeneinander abgewogen würden. Die „ständig zunehmenden wissenschaftlichen
Erkenntnisse über dieses neuartige Virus“ und viele interdisziplinäre Expertenmeinungen
sollen dabei in die Entscheidungsfindung eingeflossen sein.
Ein Blick in die vielfältigen Beiträge aus allen tangierten Wissenschaftsbereichen, die in den
letzten Wochen im Internet zu lesen waren, sowie ein Abgleich mit den in den Lageberichten
zusammen getragenen Inhalten offenbart, dass dies nicht umgesetzt worden sein kann. Bei
der Erhebung von medizinisch-gesundheitlichen Lagedaten wurde auf ein sehr enges Set an
Indikatoren zurückgegriffen (s. andere Kapitel dieses Berichts), während die in DEU reich
vorhandene Expertise in vielen anderen unmittelbar betroffenen Disziplinen brachliegen
gelassen wurde.
„Die Verantwortung für die Entscheidungen liegt bei Bund und Ländern, für die angesichts des
Umstandes, dass es sich um eine Situation ohne Beispiel mit vielen noch schwer abschätzbaren Risiken
handelt, ein vorsichtiges Vorgehen in regelmäßigen Schritten und ein besonders strenger Maßstab für
vorübergehend notwendige Grundrechtseinschränkungen das leitende Prinzip für verantwortbares
Handeln ist.“ (Protokoll der Telefonschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen
und Regierungschefs der Länder am 30. April 2020, Seite 2)
Der strenge Maßstab, den die Regierung angelegt haben will, ist nicht zu erkennen.
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In dieser Darstellung wird ein Grundproblem des Krisenmanagements in der Coronakrise
deutlich: die wesentlichen Entscheidungen werden von der Politik getroffen. Und die Politik
hat in dieser Krise stark gestaltet.
Zusammenhang Gefahrenbewertung + Entscheidungsfindung
Beispiel: In anderen Gefahrensituationen, wie z.B. bei einem Feuerwehreinsatz an einem
brennenden Wohnhaus, werden die Entscheidungen von qualifizierten Rettungskräften
getroffen, nicht vom (politische gewählten) Bürgermeister. Der Brandmeister der Feuerwehr
entscheidet, ob die einzige verfügbare Leiter genutzt wird, um zuerst eine aus einem Fenster
auf der eine Gebäudeseite um Hilfe rufende schwangere Frau zu retten, oder ein aus dem
anderen Gebäudeteil winkendes Kind, das von dichten Rauchschwaden eingehüllt ist. Diese
Entscheidung trifft der Brandmeister (und nicht der Bürgermeister) auch dann, wenn der
Bürgermeister direkt danebensteht, und selbst dann noch, wenn es um das Haus des
Bürgermeisters geht, in dem seine Frau und sein Kind in die Notlage geraten sind.
Es stellt sich die Frage, wie effektiv und praktikabel es sein kann, wenn in einer Pandemie die
Politik entscheidet und inflationär agiert, wenn, wie in der Coronakrise, einige wenige
Regierungsmitglieder, die nicht für die Bewältigung derartiger Gefahrenlagen ausgebildet
wurden, und die über die dafür erforderliche Fachkompetenz in der Regel nicht verfügen
können, das Schicksal des Landes bestimmen sollen.
Es ergibt sich eine Diskrepanz zwischen einer Vielzahl an operativen Aktivitäten und
Maßnahmen der Ministerien einschließlich ungezählter Änderungen des Rechtsbestands
unseres Landes, mit denen zahlreiche Lebensbedingungen der Bevölkerung dauerhaft
verändert werden einerseits, und der versäumten umfassenden Gefährdungserhebung der
Gesamtlage. Es liegen seitenlange Darstellungen mit Überschriften und Kurzbeschreibungen
alleine der Maßnahmen im Geschäftsbereich des BMI vor2. Wobei die ministeriellen
Arbeitsprozesse seit März 2020 vielfach als unprofessionell und unsolide eingestuft werden
müssen. Denn komplexe und auswirkungsstarke Gesetzentwürfe, die im
Ressortmitzeichnungsverfahren normalerweise innerhalb von mehreren Wochen fachlich
geprüft werden, und bei denen die jeweils zuständigen Referate weitere Parallelreferate oder
nachgeordnete Behörden unterbeteiligen müssen, wurden in den letzten beiden Monaten
vielfach mit „Verschweigefristen“ (die ohnehin in einer rechtlichen Grauzone liegen), innerhalb
weniger Stunden „ressortabgestimmt“. Das bedeutet: Eine angemessene fachpolitische
Prüfung kann nicht erfolgt sein. Der Prozess der Entscheidungsfindung über die von den
Ministerien erarbeiteten Vorlagen im Deutschen Bundestag kann, wenn man die Zeit
zwischen der abgeschlossenen Ressortabstimmung und der Verkündigung von Maßnahmen
und Gesetzen betrachtet, nicht sehr viel gründlicher gewesen sein.
2 Getroffene Maßnahmen im Geschäftsbereich des BMI, „Kurzdarstellungen wesentlicher Maßnahmen und
Themenfelder“, zuletzt 20 Seiten.
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Indirekt wird mit dieser Verfahrensweise die Risikolage bei Kritischen Infrastrukturen
deutlich verschärft. Denn für das vielfach miteinander verwobene und stark interdependente
Gesamtsystem von Kritischen Infrastrukturen sind Veränderungen a) sehr vieler
gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, die b) innerhalb kurzer Zeit erfolgen und die c) nicht
gründlich geplant und dann gut vorbereitet und planvoll realisiert werden, ein Problem. Es
entsteht eine Dynamik von Wechselwirkungen, die schwer einzuschätzen ist. Der Aufwand,
die Systemstabilität aufrecht zu erhalten, steigt. In der Konsequenz steigt die Verletzlichkeit
unserer Gesellschaft und es werden natürlich mittelfristig die Preise für kritische
Dienstleistungen steigen. Denn in der Regel werden alle zusätzlichen Aufwände (wegen
neuer Vorschriften und Auflagen) von den Anbietern und Betreibern an die
Kunden/Verbraucher weitergegeben (Strom, Gas, Wasser, Internet, …). Das wird schneller
bei Leistungen privater Anbieter/Betreiber wirksam, aber auch die zusätzlichen Aufwände für
staatliche Leistungen werden am Ende refinanziert werden müssen (z.B. über
Steuererhöhungen oder Corona-Sonderabgaben).
6.7 Exkurs Exit-Strategien
Es soll eine exit-Strategie des BMI geben (wurde schon vor Wochen in der Presse bekannt).
Gemeint ist der Ausstieg aus den Schutzvorkehrungen und Maßnahmen. Mit liegt sie nicht
vor. Das bedeutet, ich kann sie nicht auswerten. Aber auch alle anderen Kollegen, die sie
nicht kennen, können nicht damit arbeiten. Wenn sie verbindlich wäre, müsste sie als
Vorgabe bekannt gegeben werden, damit das gesamte Krisenmanagement auf die gleichen
Ziele hinarbeitet.
Wie sieht das aus der Sicht der Bevölkerung aus? Die Bevölkerung würde vielleicht
hinterfragen, warum es eigentlich einer Strategie für den Ausstieg aus Maßnahmen bedarf?
Sie müssten doch eigentlich nur beendet werden. Ist das überhaupt eine exit-Strategie, von
der die Rede ist, oder ist es eine Strategie, bei der das Ziel darin besteht, den Zeitpunkt und
die Dramaturgie des Ausstiegs z.B. nach politischen oder anderen Kriterien zu gestalten, zu
dosieren und ggf. zu strecken? Es gäbe sicherlich Gründe und Interessen, den exit zu planen.
Es kommt darauf an, welche Art von Interessen damit umgesetzt werden. Wenn es
Minderheiteninteressen wären, die sich gegen die Interessen des Gemeinwohls durchsetzten,
wäre das anders zu beurteilen, als wenn den Eigeninteressen der Gesellschaft zur Geltung
verholfen würde. Wenn die Strategie zu einer Verschleppung des exits führen sollte, so
könnte aus Bevölkerungssicht befürchtet werden, würde sich die Fallhöhe der Gesellschaft
erhöhen und der Schaden der Bevölkerung wachsen. Da jeder Tag zählt und Menschenleben
davon abhängen, sollte es erlaubt sein oder sogar geboten, die hier wirksamen Interessen
genau zu untersuchen und zu hinterfragen – z.B. durch den Krisenstab BMI-BMG.
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Aus professioneller Sicht des Bevölkerungsschutzes und der Katastrophenhilfe wäre sinnvoll
und hilfreich gewesen, eine exit-Strategie zu haben, die ein Instrumentarium dafür bietet, den
Zeitpunkt zu finden, zu dem die Kollateralschäden aus dem Ruder laufen und die zu
erwartenden Gesundheitsschäden beginnen zu übertreffen. Das ist schwierig, weil man auf
Prognosen angewiesen ist. Insofern kann es aber auch nicht schwieriger sein, als bei der
Entscheidung zugunsten von einschränkenden Schutzmaßnahmen – auch die basieren auf
nichts anderem als Vermutungen und Prognosen (siehe Auswertung der Beschlüsse der
Regierungen von Bund und Ländern vom 22. März 2020 in diesem Papier), die mehr oder
weniger plausibel sein können.
- Gegenüberstellung von Vorwissen und realem Handling des
Krisenmanagements 2020
Am Krisenmanagement war selbstverständlich nicht alles falsch (aber leider wesentliches).
Wenn man einmal von der Gefährdungsanalyse absieht, hat die Zusammenarbeit der
Ressorts untereinander und miteinander im Krisenmanagement recht gut funktioniert. Das gilt
sowohl für die Bundesbehörden und als auch für die Zusammenarbeit zwischen Bund und
Ländern. Zwar agierten die einzelnen Bundesländer als Träger der wichtigsten konkreten
Entscheidungen über Maßnahmen eigenständig und graduell differenziert, aber es kam nicht
zu extremen Alleingängen einzelner Länder sondern bildete sich ein sehr ähnlicher, eher
einheitlicher Umgang mit der Krise heraus.
In der gegenwärtigen Krise wurde vielfach das Agieren anderer Staaten als Vorbild oder
Muster herangezogen, obwohl wesentliche Rahmenbedingungen nicht vergleichbar sind.
DEU verfügt über eine sehr viel bessere Gesundheitsinfrastruktur als die meisten anderen
Länder und hat insbesondere höhere Behandlungskapazitäten für hoch ansteckende,
lebensbedrohliche Erkrankungen als jeder andere Industriestaat. Auch die Datenlage, die für
die Ermittlung des Gefährdungspotentials wichtig ist, ist in DEU vergleichsweise umfangreich
und detailliert. Das alles war dem BMI bei Ausbruch der Krise bekannt. Dennoch waren die
Schutzmaßnahmen in DEU (im Vergleich zu anderen Industriestaaten) nicht etwa reduziert,
sondern besonders umfassend.
In der Corona-Pandemie 2020 wurde zwar von Anfang an auf die Kompetenz von
Fachleuten zurückgegriffen. Allerdings sehr selektiv. Es wurden nur ausgewählte
Fachleute angehört, nur deren Auffassungen wurde beachtet. Die Fachexpertise aus
virologischen und immunologischen Spezialdisziplinen muss in die ganzheitliche
Gefährdungsanalyse und –bewertung einer Pandemie unbedingt eingehen, sie muss
in diesem Prozess jedoch mit anderen Faktoren abgeglichen werden. In der
Coronakrise wurden vom professionellen Krisenmanagement fachlich einseitige,
gefilterte Fachinformationen isoliert herausgegriffen und zum alleinigen Maßstab für
jede erfolgte Intervention gemacht. Da nützen einem die besten Spezialisten nichts.
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Sie kennen sich zwar in ihrem sehr begrenzten Kompetenzfeld gut aus, haben aber
nicht die erforderliche Einsicht in die komplexen Rahmenbedingungen die darüber
hinaus ein modernes Gemeinwesen prägen. In diesem Gemeinwesen sind
Einflussgrößen aus sehr vielen weiteren Spezialgebieten wirksam. Wie konnte das
Krisenmanagement annehmen, dass die medizinischen Experten des RKI dies
überblicken? Die Kollegen des RKI konnten von den Anforderungen und den
Erwartungen, die in der Krise an sie gerichtet wurden, nur hoffnungslos überfordert
sein.
Ein Blick in die Beschreibung der Methode der Risikoanalyse macht die
Unbrauchbarkeit der Risikobewertung durch RKI deutlich:
„Bei der Risikobewertung handelt es sich um eine deskriptive, qualitative Beschreibung. Denn für die
verwendeten Begriffe “gering“, „mäßig“, „hoch“ oder „sehr hoch“ liegen keine quantitativen Werte für
Eintrittswahrscheinlichkeit oder Schadensausmaß zugrunde. Allerdings werden für die
Schwerebeurteilung ( = Schadensausmaß) genutzten drei Kriterien bzw. Indikatoren (Übertragbarkeit,
Schwereprofil und Ressourcenbelastung) mit jeweils quantifizierbaren Parametern beurteilt.“
(https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung_Grundlage.html )
Das heißt, die Kanzlerin und die MP der Länder haben ihre weitreichenden
Maßnahmen auf der Basis einer Risikobewertung getroffen, die Risiken nach in die
qualitativen Kriterien gering, mäßig und hoch beschreibt, ohne jede Größendimension.
Die Bewertung der Gefährlichkeit der Pandemie für unser Land bemisst das RKI nach
der Übertragbarkeit des Krankheitserregers, nach der Zahl von Infektionen und nach
dem Schwereprofil (u.a. Anteil Tote). Gesundheitsschäden durch Kollateralschäden
sind für RKI kein Kriterium, sie werden nicht erwähnt, obwohl dadurch größere Mengen
an Todesfälle entstanden sind, als durch Covid-19 (siehe Anlage zur Kurzfassung).
Im Falle der Corona-Epidemie sind von der beteiligten Wissenschaft neben bewiesene
Wahrheiten auch Meinungen, Interpretationen und Prognosen bezogen worden, denn
auch die werden von einem verantwortungsbewussten Krisenmanagement benötigt.
Diese spekulativen Elemente (Vermutungen) waren sogar in wesentlichen
Entscheidungen handlungsleitend für das Krisenmanagement, insbesondere bei den
Entscheidungen über die für Bevölkerung und Wirtschaft belastende
Schutzmaßnahmen und solche Maßnahmen, die sich problematisch auf das
Sicherheitsniveau unserer Kritischen Infrastrukturen auswirken.
In dem Pool sämtlicher Prognosen, Meinungen und Interpretationen dieser Welt, gibt
es solche, die sich im Nachhinein als näher oder weiter entfernt von der Wahrheit
erweisen werden. Im Falle der Bewertung der Gefahren des Corona-Virus für unsere
Gesellschaft werden wir das vermutlich in spätestens fünf Jahren zuordnen können.
Um heute im Krisenmanagement die besten Entscheidungen treffen zu können,
müssen wir möglichst viele verschiedene Meinungen, Interpretationen und Prognosen
anhören und sie sorgfältig abgleichen. Viel mehr als eine Plausibilitätsprüfung werden
wir nicht leisten können, aber die muss umso konsequenter durchgeführt werden.
Denn jede Prognose kann falsch sein, und wenn wir aufgrund voreiliger Limitierungen
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nur solche Prognosen heranziehen, die sich im Nachhinein als falsch erweisen
werden, wird das im Falle dieser Coronal-Krise schlimme Folgen für unsere
Gesellschaft haben. Es kommt also bei der Auswahl sehr ernsthaft zu erwägender
Prognosen grundsätzlich nicht darauf an, wie beliebt eine bestimmte Prognose in
bestimmten Kreisen ist, wie bequem oder opportun sie für bestimmte politische oder
auch parteipolitische Ziele erscheint, und auch nicht, wie viele Menschen sie für am
wahrscheinlichsten halten, sondern ob wir genau diejenige Prognose(n) in unseren
Abgleich einbezogen haben, die der Wahrheit am Ende am nächsten gekommen sein
wird. Das heißt, es müssen alle Theorien geprüft werden, auch die auf den ersten Blick
abwegigen, denn auch unter ihnen kann am Ende der Treffer (der später erkennbaren
Wahrheit) sein. Das Krisenmanagement kann einen unvermeidbaren Fehler machen,
indem es seine Entscheidungen auf eine zwar plausible aber falsche Prognose stützt.
Das Krisenmanagement kann aber auch einen vermeidbaren Fehler machen, indem
es Prognosen versäumt in die ernsthafte Plausibilitätsprüfung einzubeziehen, unter
denen (im Moment unerkannt) die richtige ist.
Ein Sicherheitskonzept kann nur dann als wissenschaftlich begründet und optimiert
gelten, wenn es den Selektionsprozess von Theorien nicht vorzeitig schließt, sondern
auch in der sich entwickelnden Krise noch laufend offenhält. Mit Blick auf die breite
Fachdiskussion im Internet und die darin diskutierten vielfältigsten Thesen, und im
Vergleich dazu das enge Spektrum der im Krisenmanagement einbezogenen Thesen,
müssen Zweifel daran bestehen, ob die Vorgabe der Wissenschaftlichkeit in der
Corona-Krise ausreichend realisiert wird.
Die Auswahl der einbezogenen Wissenschaftler scheint einseitig zu sein. Die starke
Fixierung auf das Robert-Koch-Institut (RKI) und teils massive Abwertung von
wissenschaftlichen Gegeneinschätzungen durch RKI sowie die Öffentlichkeitsarbeit
der BReg führen dazu, dass nicht alle wissenschaftlichen Meinungen ausreichend
berücksichtigt werden.
Bei dem Bemühen des Krisenmanagements um eine Bewältigung der Virus-Infektion
wurden Maßnahmen getroffen, die im Verlaufe der Krise zu einer eigenständigen
Gefahr geworden sind. Wir haben es in der Corona-Krise also mit zwei Gefahren zu
tun, die wir bewerten müssen, für die wir eine Risikoeinschätzung vornehmen müssen.
Die Bedeutung von Ursache Wirkungsbezügen wurde in der Aufarbeitung des
Wissensstandes dargelegt. In der Coronakrise haben sich in der Arbeit des
Krisenstabs erhebliche Probleme offenbart, in der Gefahrenanalyse Ursache-
Wirkungs-Bezüge zu erkennen und folgerichtig auszuwerten. Insbesondere die
langfristigen Auswirkungen auf das Resilienz- und Sicherheitsniveau der Versorgung
mit kritischen Dienstleistungen blieben unbeachtet, bzw. wurden von anderen
Aspekten dominiert. Tatsächlich haben das Fachreferat KM4 und die nachgeordnete
Behörde BBK Auswirkungen im KRITIS-Bereich erfasst. Allerdings wurden
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überwiegend nur Zustands- und Lageerhebungen zu aktuellen Zeitpunkten
durchgeführt, Prognosen wurde nicht abgegeben. Das geschah auch in dem
gemeinsamen Melde und Lagezentrum von Bund und Ländern, das vom BBK
betrieben wird. Aus diesem Kontext wurde in den Krisenstab hinein unregelmäßig
berichtet, schließlich stoppte der Krisenstab die Lieferungen und verzichtet seither
ganz darauf, obwohl gerade die Entwicklung bei Kritischen Infrastrukturen zu den
potentiell auswirkungsstärksten Bereichen gehört und viele absehbare Auswirkungen
erst mit zeitlichem Verzug, aber dann unaufhaltsam eintreten.
Wichtig wäre eine Prognose über zu erwartende Ausfälle im KRITIS-Bereich gewesen
und natürlich eine Betrachtung des Gesamtgeschehens im KRITIS-Bereich. Es wäre
nicht nur erforderlich gewesen, eine umfassende Bewertung der Krisendynamik im
KRITIS-Kontext eigeninitiativ zu erstellen und dem Krisenstab zur Verfügung zu
stellen, sondern auch, dass der Krisenstab selbst diese Prognose und Einschätzung
anfordert. Beides ist so gut wie nicht geschehen. Die Analysen, die im zuständigen
Fachreferat KM4 dazu gefertigt wurden, wurden nicht beachtet und nicht weiter
transportiert. Der Mitarbeiter, der laufend dazu Analysen geschrieben und
Anforderungen formuliert hatte (und diesen Bericht verfasst hat), wurde nicht in das
Krisenmanagement eingebunden, so dass seine Möglichkeiten, im Verlaufe der Krise
zu überprüfen, ob die Belange des KRITIS-Schutzes ausreichend beachtet wurden,
schließlich kaum mehr gegeben war – Protokolle von Krisenstabssitzungen und interne
Strategiepapiere wurden zu Beginn der Krise noch so weit gestreut, dass auch KM 4
stets informiert war, später wurden nur noch Auszüge verschickt, die Anbindung an
das strategische Gesamtvorgehen wurde immer spärlicher. Das ist absolut
unverständlich angesichts der Tatsache, dass das reibungslose Funktionieren
Kritischer Infrastrukturen von allerhöchster Priorität sein müsste.
Timing des deutschen Krisenmanagements: Nicht zuletzt aufgrund der
fehlerbehafteten Gefahrenbewertung kam das deutsche Krisenmanagement mit seinen
Aktivitäten bisher in jeder Phase der Coronakrise zu spät, es schiebt von Anfang an
eine überdimensionale Bugwelle von überfälligen Entscheidungen vor sich her. Im
Januar 2020 wurde versäumt, sich intensiv mit dem Virus in China auseinander zu
setzen, im Februar wurde unterlassen, Maßnahmen gegen eine Pandemie
vorzubereiten und im März hat man darauf verzichtet, eine aussagekräftige Daten für
eine belastbare Gefahrenanalyse und –bewertung zusammen zu tragen. Diese
Bugwelle gilt es jetzt abzubauen, denn im April steht offenkundig auf der Agenda der
notwendigen Taten, die stark in das öffentliche und private Alltagsleben und die
Rechte der Betroffenen eingreifenden Maßnahmen aufzuheben, insbesondere
o Kontaktverbote
o harte Wirtschaftsrestriktionen
o das Aussetzen des öffentlichen Lebens.
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Heute wird sich vermutlich nachteilig auswirken, dass die Arbeiten an einer erneuerten
KRITIS-Strategie, trotz zeitig erfolgtem Arbeitsauftrag der BMI Hausleitung (in 2015),
jahrelang so erfolglos betrieben wurden. Die strategische Neuausrichtung und die
konkretere programmatische Ausgestaltung hätte unserem Land ein solides
Fundament schaffen können, um in einer Krise mit konkreten Maßnahmen schnell
nachzusteuern und das Sicherheitsniveau bestmöglich zu sichern. Da dies nicht
geschehen ist, wird die Aufgabe jetzt doppelt so schwierig.
Rückschlüsse aus der Risikoanalyse von 2012, die nicht ausreichend beachtet
wurden:
o Eine wichtige Erkenntnis aus der Risikoanalyse 2012, dürfte sein, dass bei
jeglichen Maßnahmen stets mitgedacht werden muss, dass sich die ersten
Warnmeldungen als Fehlalarm herausstellen könnten. Denn wirksamen und
umfassenden Schutzmaßnahmen wohnt ein gewaltiges eigenes Schadpotential
inne (als Kollateralschaden). Dieses Schadpotential entfaltet vor allem bei
einem Fehlalarm und Überschätzung der gesundheitlichen Gefahren seine
fatale ironische Wirkung.
o Aus der Risikoanalyse hätte eine Sensibilisierung für das Problem der
Kollateralschäden erwachsen müssen, insbesondere im Fall eines Fehlalarms
oder einer zu hohen Gefahreneinschätzung. – Und das umso mehr, je mehr ein
Krisenmanagement die Nachlässigkeit begeht, einseitig bei den
gesundheitlichen Gefahren auf Nummer Sicher zu gehen, und die Gefahren, die
von den eigenen „Schutzmaßnahmen“ ausgehen, nicht angemessen zu
berücksichtigen und jede Kritik an der eigenen Arbeit statt zu überprüfen, zurück
zu weisen. In diesem Fall können aus staatlichen Schutzmaßnahmen, staatliche
Schädigungsmaßnahmen werden. 2020 haben wir noch die Chance, die
Strategie nachzujustieren und gemachte Fehler zu begrenzen.
o Fehler werden in einem komplexen Krisengeschehen immer gemacht. Es
kommt darauf an, wie mit den Fehlern umgegangen wird und ob noch im
laufenden Verfahren flexibel nachanalysiert und die Strategie wo nötig korrigiert
wird. Im Übrigen gibt es vermeidbare und unvermeidbare Fehler. Bei
unzureichender Datenlage diejenige Auswahlentscheidung zwischen zwei
ähnlich plausiblen Handlungsoptionen zu treffen, die sich im Nachhinein als
falsch erweist, ist ein unvermeidbarer Fehler. Sich nicht ausreichend sorgfältig
und vorausschauend um aussagekräftige Daten für eine plausible
Risikoeinschätzung zu kümmern und dann falsche Entscheidungen zu treffen,
ist ein vermeidbarer Fehler, der zu einem unverzeihlichen wird, wenn, um das
Gesicht zu wahren an falschen Entscheidungen festgehalten wird.
o Auch für die Möglichkeit, dass es eine Fehlmeldung vorliegt, muss ein
Krisenmanagement laufend eine Plausibilitätsprüfung vornehmen, und
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umsteuern, sobald der Fehlalarm in den zyklischen Überprüfungen als die
plausiblere Wahrheit zu erkennen ist.
o In der 2012er Risikoanalyse heißt es im Szenario: „Neben der Information der
Bevölkerung treffen die Behörden, aufbauend auf bestehenden Plänen und
den Erfahrungen aus der Vergangenheit, Maßnahmen zur Eindämmung
und Bewältigung des Ereignisses. Krisenstäbe werden zeitnah einberufen
und übernehmen die Leitung und Koordination der Maßnahmen.“
Die Realität 2020 sieht etwas anders aus. Nicht die Behörden treffen
Maßnahmen, nicht die Krisenstäbe übernehmen Leitung und Koordination der
Maßnahmen, sondern die Politik trifft die Entscheidungen und die Krisenstäbe
finden gute Begründungen dafür. Auch das ist ein Problem des
Krisenmanagements in der Coronakrise. Die Rolle der Bundeskanzlerin und der
Ministerpräsidenten der Länder, die über keine Kompetenz und Erfahrung in der
operativen Entscheidungsfindung in komplexen Krisensituationen haben
(fachlich ohnehin eher nicht) und diese gar nicht haben können, führen das
Heft.
Damit kommt das administrative und ministeriale Rollenmodell zur Wirkung. Es
ist dann kaum noch möglich, eigene Impulse von den Behördenapparaten zu
erwarten. Die Behörden und Ministerialen spielen die Rolle, die sie immer
spielen weiter, sie versuchen so gut es geht zu erraten, was die politische
Führung glaubt und anstrebt und orientiert das eigene Veralten vollständig an
diesen Projektionen.
Für den Bereich des Trinkwassers wurden trotz der Benennung von
Lieferengpässen und Lieferketten als Schlagworte nicht vorausgesehen, dass
beim Fehler einzelner Komponenten ganze Systeme wegbrechen können. Das,
was sich aktuell als Problem bei der Trinkwasserversorgung abzeichnet ist eine
neue Erfahrung, für die es keine fertige Lösung aus den Übungen und
Simulationen gibt. Dieses Problem muss on the job gelöste werden – mit den
Leuten, die dazu in der Lage sind.
Problematisch ist, dass wir es mit einem komplexen System von Kritischen
Infrastrukturen in DEU zu tun haben, das beim Ausfall nur einer einzigen wesentlichen
Komponente, den Rest des Systems ebenfalls zum Kollabieren bringen kann. Wenn
die Stromversorgung flächendeckend und länger anhaltend ausfällt, nützt uns die
weltbeste IT-Sicherheit nichts. Wenn das Internet nicht wie gewohnt verfügbar ist, ist
mit einer ähnlichen Kaskade zu rechnen. Ähnliches gilt für die Trinkwasserversorgung
und die Nahrungsmittelversorgung. Demgegenüber hätte realistisch betrachtet der Tod
von 200.000 Einwohnern (zufälliger Wert) durch einen neuen Krankheitserreger, oder
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sogar der Tod von 1 Mio. Einwohnern im Rentenalter, kaum Auswirkungen auf die
Versorgung mit Kritischen Dienstleistungen – sowie die Funktionsfähigkeit des
innerstaatlichen Wertschöpfungsprozesses, die internationale Wettbewerbsfähigkeit
und die Stabilität der staatlichen Ordnung). Damit wird keine Bewertung von Menschen
vorgenommen, sondern Funktionen, Wirkungsweisen und reale Konsequenzen
werden veranschaulicht.
Wenn (ursprünglich) gesundheitliche Schutzmaßnahmen wie die der laufenden
Corona-Pandemie, zu einer Destabilisierung des Systems Kritischer Infrastrukturen
führen, kann das hingegen den Exitus unserer gesamten Gesellschaft bedeuten mit zig
Millionen Toten (vgl. Blackout der Stromversorgung) und natürlich der Aufhebung
jeglicher, nicht nur der staatlichen, Ordnung. Insofern ist es für das Krisenmanagement
unverzichtbar, die bereits eingetretenen, und die noch möglichen Auswirkungen der
Schutzmaßnahmen umfassend und objektiv zu erheben, um die Gefahren von a)
Erkrankungen und b) Schutzmaßnahmen vergleichen zu können und optimal darauf zu
reagieren.
Die Rolle der Bundeskanzlerin, die einer gesonderten Untersuchung bedarf, war
vielfach nicht transparent, vielleicht sogar missverständlich, aber bei den Medien und
der Bevölkerung kam das Agieren der Kanzlerin gut an. Dieser Komplex müsste aus
drei Gründen näher untersucht werden: 1. Publikumsgefallen ist keine Garantie und
noch nicht einmal überhaupt ein Kriterium für richtige Entscheidungen. Mit ihm kommt
ein sachfremder Motivator ins Spiel, der anfällig für Fehlentscheidungen macht. 2.
Übergroße Zustimmung und Akzeptanz selbst für Unsinn erzielen zu können, birgt eine
große Gefahr für unser Gemeinwesen in sich. 3. Die nahezu durchgängige positive
Resonanz der Medien insbesondere auf jegliche Aktivität der Bundeskanzlerin, egal
was sie gerade ankündigte und wie und mit welchem Timing sie ihre Haltung zu
bestimmten Fragen als alternativlos darstellte oder auch änderte, bestätigt leider
negative Vorurteile über die Presse. Als Korrektiv für Fehlentwicklungen z.B. in einem
suboptimalen Krisenmanagement scheint der übergroße Teil der (freien) Presse mehr
oder weniger unbrauchbar. Aus gesamtstaatlicher Sicht muss das als Warnsignal
angesehen werden. Es empfiehlt sich sehr, bei künftigen Anpassungen der rechtlichen
oder Rahmenbedingungen auf eine wieder größere Unabhängigkeit und Kritikfähigkeit
hinzusteuern. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Presse die Regierung geschlossen
massiv einseitig und ungerecht kritisierte, und durch ihren Einfluss eine politische
Machtveränderungen einfach auslösen könnte, dürfte gegen null gehen. Die Gefahr,
dass die Bevölkerung alles glaubt, was sie von den meisten Medien serviert bekommt,
und sich dies unkritisch zu eigen macht, liegt sehr hoch.
Bei der Risikoanalyse aus 2012 wurde der simulierte Pandemieverlauf vom RKI
beigesteuert. Die Daten waren als Fakten für das Planspiel gesetzt, sie wurden nicht
hinterfragt. Für ihr genaues Zustandekommen musste sich niemand der
Übungsbeteiligten interessieren. Für ein Planspiel, in dem eine einzige konkrete
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Fallkonstellation hypothetisch durchgespielt werden soll, ist das eine praktikable
Begrenzung ansonsten unzähliger möglicher Fallkonstellationen. In der Coronakrise
hat sich das Krisenmanagement wie in einer Übung verhalten, es hat die Zulieferungen
von hochspezifischem fachlich-medizinischen Input inhaltlich nicht mehr hinterfragt.
Gegen Vorschläge, Anregungen und Forderungen von außen hat man sich
abgeschottet.
Da nun alle Maßnahmen und alle Öffentlichkeitsarbeit (Krisenkommunikation) auf
einseitigem oder suboptimalem fachlichen Input beruht, sind leider alle Maßnahmen
und Entscheidungen des Krisenmanagements potentiell suboptimal. Das bedeutet
auch, dass in der größten Krise, die die Bundesrepublik je erlebt hat, der Staat
potentiell der größte Produzent von fake news war, gegen die er gerade in der Krise
vorzugehen propagierte. Damit hat er dazu beigetragen, dass ein wichtiges
Unterstützungspotential zur Bewältigung der Krise blockiert wurde.
Die zwei Vorteile der Lage:
- Wir haben gerade Erfahrungen mit einer Krise gesammelt. Wenn wir diese
Erfahrungen zeitnah aufarbeiten, können wir von den gemachten Fehlern noch
lernen.
- Während wir bei der Coronalkrise mit einer Gefahr zu tun hatten, deren
Wirkmechanismen und Ursprünge wir nicht kannten, verfügen wir bei den neuen
Gefahren für die Kritischen Infrastrukturen (und darüber hinaus) über das volle
Wissen der auslösenden Momente und haben größtmögliche Kontrolle über die in
der Krise in Gang gesetzten Instrumente.
- Zwischenauswertung
Die vom Krisenmanagement zugrunde gelegte Datenbasis war und ist ungeeignet zur
Bewertung der Gefahrenlage für unsere Gesellschaft. Die Fixierung auf gesundheitliche
Parameter verstellte den Blick auf weitreichende Auswirkungen in anderen gesellschaftlichen
Bereichen.
Insbesondere eine systematische Erhebung der langfristigen Gefährdungslage im komplexen
Gesamtsystem Kritischer Infrastrukturen hat in der Lageberichterstattung, die Grundlage
von Entscheidungen war, nicht stattgefunden. Die Befassung mit einer Fülle an punktuellen
Einzelmeldungen aus den Branchen und Sektoren, sowie das akribisch-formalistische
Abarbeiten von zahlreichen Zuschriften/Einzelanfragen von Lobbygruppen und potentiellen
KRITIS-Betreibern im Tagesgeschäft des Krisenstabs konnten dieses Defizit nicht auffüllen,
sondern scheinen die strategische Arbeit der Gefahrenanalyse und –bewertung und die
Abwägung von Entscheidungen über Maßnahmen limitiert zu haben.
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Angesichts des (von mir ausführlich dargelegten) breiten Erfahrungsschatzes aus groß
angelegten Pandemieübungen und Risikoanalysen, und angesichts der umfänglichen
Erkenntnisse, die der Bevölkerungsschutz in den zurückliegenden Jahren konzeptionell und
systematisch erarbeitet hat, müssen die schweren Versäumnisse bei der Gefahrenanalyse
und –bewertung als methodisch-handwerkliche Fehlleistungen des Krisenmanagements
betrachtet werden. – Allerdings haben wir darüber hinaus eine Dynamik erlebt, die auch auf
(aus heutiger Sicht vielleicht suboptimale) rechtliche Rahmenbedingungen zurückgeführt
werden muss. Diese haben einen Automatismus ausgelöst, der alleine mit guten Willen kaum
mehr gebremst werden konnte und uns noch immer hemmt.
Die beobachtbaren Defizite im Krisenmanagement schlagen sich in der Konsequenz
unmittelbar in einer stark gestiegenen Gefahrenlage bei den Kritischen Infrastrukturen
nieder (siehe Kapitel 10).
Da sich das aktuelle Krisengeschehen in einem Transformationsprozess befindet, in dem es
übergangslos von der einen in die nächste und voraussichtlich länger anhaltende Krise
übergeht, erscheint dringend notwendig, die erste Phase bereits jetzt gründlich aufzuarbeiten.
Die vorliegende Analyse behandelt schwerpunktmäßig die Aspekte „Schutz Kritischer
Infrastrukturen“ und „Gefahrenbewertung“. Dies wäre ein Baustein neben anderen, die in der
Auswertung einbezogen werden müssten.
Es kann nicht darum gehen, vom Krisenmanagement hellseherische Fähigkeiten zu erwarten
und es danach zu bewerten, ob es unvorhersehbare Risiken vorab richtig eingeschätzt hat.
Vielmehr müssten alle vorgesehenen Verfahrensschritte sorgfältig beachtet werden und alle
möglichen Optionen genutzt werden, um die Gefahren so genau wie möglich zu ermitteln.
Das ist umso dringlicher geboten, als jedem Mitglied des Krisenmanagements spätestens im
Laufe der Krise bewusst gewesen sein muss, welche schwerwiegenden Schäden unserer
Gesellschaft durch die Schutzmaßnahmen entstehen würden und nunmehr tatsächlich
entstehen. Das gilt für jeden einzelnen Tag, der ohne Veränderungen ins Land geht.
- Beschluss der Kanzlerin mit den Länderchefs am 22. März 2020 im
Kontext der Ergebnisse dieser Analyse
Da die politische Spitze keine anderen Entscheidungen treffen kann, als im
Vorbereitungsprozess durch das Krisenmanagement erarbeitet worden sind, wurden die
Defizite des Krisenmanagements in den politischen Raum übertragen. Beispielhaft zeige ich
diesen Effekt an den Beschlüssen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der
Länder am 22. März 2020.
Die einzige Begründung, die die Regierungschefs von Bund und Ländern für die von ihnen
verfügten Maßnahmen und Einschränkungen von Rechten angeben, ist, dass die rasante
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 72 von 83
Verbreitung besorgniserregend sei. Es wird nicht dargelegt, wie die Gefahr von der
Bundesregierung oder den Länderregierungen oder sonstigen Stellen (z.B. Krisenstäbe, RKI,
…) eingeschätzt wird. Es wird überhaupt nichts zur Gefährlichkeit des Coronavirus gesagt.
„Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder
fassen folgenden Beschluss: Die rasante Verbreitung des Coronavirus (SARS-CoV-2)
in den vergangenen Tagen in Deutschland ist besorgniserregend. Wir müssen alles
dafür tun, um einen unkontrollierten Anstieg der Fallzahlen zu verhindern und unser
Gesundheitssystem leistungsfähig zu halten. Dafür ist die Reduzierung von Kontakten
entscheidend,“ Quelle: Protokoll der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen
und Regierungschefs der Länder am 22. März 2020
https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/1733246/e6d6ae0e89a7ffea1ebf6f32cf472736/2
020-03-22-mpk-data.pdf?download=1
Das Ziel, einen unkontrollierten Anstieg von Fallzahlen zu verhindern, ist eine Aussage, bei
der nicht erkennbar wird, was genau sich dahinter verbirgt. Alle möglichen Fragen bleiben
unbeantwortet, z.B. was mit Fallzahlen gemeint ist, und was die Fallzahlen über die
Gefährlichkeit aussagen.
Auch die Qualifizierung der Ausbreitungsgeschwindigkeit als „rasant“, ist fragwürdig. Das
kann sich nur auf eine Mikrobetrachtung beziehen. Zu dem Zeitpunkt des Beschlusses lagen
– bezogen auf den Gesamtstaat, für den Maßnahmen verfügt wurden – keine Belege für eine
gefährliche Verbreitung vor. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit auf diesem Niveau kann kein
Ersatz- oder Hilfskriterium für Gefährlichkeit sein. Es gab laut Lagebericht des RKI vom
22.3.20 nur 18.610 bestätigte „Fälle“ (0,2 Promille der Bevölkerung), und 55 Verstorbene
(0,0006 Promille der Bevölkerung).
Die Regierungschefs nennen zwei Ziele zur Abwehr der befürchteten Gefahr:
- Verhindern eines unkontrollierten Anstiegs der Fallzahlen sowie
- Erhalten der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems.
Eines dieser zunächst gleichrangig genannten Ziele hatte offenbar Priorität: die Kontrolle des
Fallzahlenanstiegs. Die Auswirkungen der ergriffenen Maßnahmen auf das
Gesundheitssystem als Ganzes wurden im Krisenmanagement weder gesondert
nachgehalten (z.B. im Monitoring des Krisenstabs BMI-BMG), noch wurde darauf besondere
Rücksicht genommen: z.B. wurde mit den dann konkret ausgeformten Vorschriften in Kauf
genommen, dass abgesagte oder verschobene OPs zu Schäden und Todesfällen führen
würden und u.a. die Kliniken und Reha-Einrichtungen um ihr wirtschaftliches Überleben
kämpfen müssen – mit entsprechenden Konsequenzen für die Versorgungskapazitäten.
In dem Beschluss wird eingeräumt, dass einschneidende Maßnahmen getroffen werden. Es
wird erklärt, dass der Grund darin läge, dass sie mit Blick auf das zu schützende Rechtsgut
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der Gesundheit der Bevölkerung verhältnismäßig seien, obwohl eine seriöse
Verhältnismäßigkeitsprüfung gar nicht durchgeführt wurde.
Nach den Erkenntnissen der vorliegenden Analyse kann keine belastbare
Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt worden sein und auch die Notwendigkeit nicht
erwiesen gewesen sein, da nicht einmal eine belastbare Gefahreneinschätzung
vorgenommen wurde.
„Bund und Länder werden bei der Umsetzung dieser Einschränkungen sowie der
Beurteilung ihrer Wirksamkeit eng zusammenarbeiten. Weitergehende Regelungen
aufgrund von regionalen Besonderheiten oder epidemiologischen Lagen in den
Ländern oder Landkreisen bleiben möglich. Bund und Länder sind sich darüber im
Klaren, dass es sich um sehr einschneidende Maßnahmen handelt. Aber sie sind
notwendig und sie sind mit Blick auf das zu schützende Rechtsgut der Gesundheit
der Bevölkerung verhältnismäßig.
Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder
danken insbesondere den Beschäftigten im Gesundheitssystem, im öffentlichen
Dienst und in den Branchen, die das tägliche Leben aufrecht erhalten sowie
allen Bürgerinnen und Bürgern für ihr Verantwortungsbewusstsein und ihre
Bereitschaft, sich an diese Regeln zu halten, um die Verbreitung des
Coronavirus weiter zu verlangsamen.“
Quelle: Protokoll der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und
Regierungschefs der Länder am 22. März 2020
https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975226/1733246/e6d6ae0e89a7ffea1ebf6f32cf472736/2
020-03-22-mpk-data.pdf?download=1
Die Inhalte des Beschlusses wurden auch in einfacher Sprache verbreitet. Auch darin ist nicht
von einer Gefahr die Rede, sondern von einer „sehr ernsten Situation“.
„Das Corona-Virus verbreitet sich sehr schnell in Deutschland.
Das ist eine sehr ernste Situation.
Die Verbreitung vom Corona Virus muss unbedingt gestoppt werden.
Deshalb gibt es Regeln, wie sich die Menschen in Deutschland verhalten müssen. Die
Regeln gelten bis zum 19. April.“
Quelle: Bundesregierung im Internet. In einfacher Sprache: https://www.bundesregierung.de/bregde/
leichte-sprache/regeln-zum-corona-virus-vom-22-maerz-2020-1733310
Fazit – auf der Basis der in dieser Analyse gewonnenen Erkenntnisse – :
Die Maßnahmen waren nicht begründet.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 74 von 83
- Aktuelle und perspektivische Auswirkungen auf den Bereich
der Kritischen Infrastrukturen
10.1 IT-Sicherheit
Auswertung der „IT-Sicherheitslage“, Ausgabe April 2020
In die Lageberichte des Krisenstabs sind Themenbereiche aufgenommen worden, die
eigentlich nicht zwingend nötig gewesen wären (Extremismus, Internationale Politik). Andere
Bereiche, die für die Beurteilung der Gefahrensituation für unsere Gesellschaft essentiell sind,
werden weiterhin nicht beachtet. Dazu die IT-Sicherheit, die im BMI ressortiert. Der reguläre
Monatsbericht des BSI erschien am 22. April, er macht eindeutige Aussagen zum
Coronakontext. Es wird deutliche gemacht, dass die Resilienz im IT-Bereich gesunken ist und
der Erfolg von Angriffen immer wahrscheinlicher wurde. Selbst Unternehmen oder
Einzelpersonen, die ihre IT-Sicherheit normalerweise gut im Griff haben werden von den
neuen Anforderungen an die IT überfordert, vernachlässigen Sicherheitsregeln und gehen
zusätzliche Risiken ein. Diese Situation wird von Angreifern gezielt ausgenutzt.
IT-Sicherheitslage, BSI, Ausgabe April 2020, Berichtszeitraum: März 2020, erschienen am
- April 2020
„Auswirkungen und Vorfälle auf die IT im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie:
Die Auswirkungen von SARS-CoV-2 durchdringen mittlerweile alle Lebensbereiche und
betreffen damit auch die Informationstechnologien. Die aktuelle Gesamtlage führt dazu, dass
auch eine normalerweise gut aufgestellte Organisation sich von einem erfolgreichen Cyber-
Angriff mit höherer Wahrscheinlichkeit nur schlecht oder gar nicht mehr erholen kann. Falls ein
solcher Angriff auf eine für die Bewältigung der Pandemie wesentliche Organisation gelingt,
können die daraus erwachsenden Konsequenzen beispiellose Auswirkungen auf die
Bevölkerung und die Wirtschaft haben. Darüber hinaus können die hier ausgeführten und
weiteren Kampagnen auch Einzelpersonen in einer besonders angespannten Lage treffen und
gravierendere Auswirkungen haben, als bisher üblicherweise beobachtet wurde. Es ist
anzunehmen, dass Angreifer auch im nächsten Berichtszeitraum ihre Kampagnen im Kontext
von COVID-19 fortsetzen und weiterentwickeln.“ (IT-Sicherheitslage, BSI, Ausgabe April 2020,
Berichtszeitraum: März 2020, erschienen am 22. April 2020)
Das BSI diagnostiziert einen Ausnahmenzustand in der Gesellschaft, der Angst und Panik
begünstigt.
„Die COVID-19-Pandemie hat einen Ausnahmezustand hervorgerufen, der Angst,
Verunsicherung und Panik in der Gesellschaft und Wirtschaft begünstigt, was wiederum von
Angreifern ausgenutzt werden kann
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 75 von 83
Durch die häufig abrupte Verlagerung von Beschäftigten und Geschäftsprozessen ins Home-
Office wird in zahlreichen Fällen die IT-Sicherheit zugunsten eines ad hoc funktionierenden
Home-Office vernachlässigt
IT-Fachpersonal und IT-Sicherheitsdienstleister sind durch die geltenden Beschränkungen
nicht im normalen Umfang oder nur mit erhöhtem Aufwand verfügbar.
Aufgrund der wirtschaftlichen Folgeerscheinungen der Pandemie sind bei vielen Unternehmen
die finanziellen und infrastrukturellen Sicherheitsvorkehrungen, um beispielsweise mit einem
Cyber-Angriff umzugehen, bereits ausgereizt
Der veränderte Einsatz der IT-Infrastruktur durch eine Verlagerung ins Home-Office erschwert
die Unterscheidung von regulärem Nutzerverhalten und Angriffen“ (ebd. Seite 5)
BSI geht davon aus, dass mit den vermehrt aufgekommenen spezifischen Covid-19 Angriffe
noch längere Zeit zu rechnen ist.
10.2. Gefährdungen im Bereich der Trinkwasserversorgung
Die Trinkwasserversorger und ihre Verbände werden seit den ersten großen
Einschränkungen laufend im BMI vorstellig und bitten um schriftliche Bestätigung, dass sie
als KRITIS-Betreiber besonders wichtig sind und daher beim Bezug und der Belieferung von
bestimmten Produkten bevorzugt behandelt werden müssten, ihr Personal arbeiten können
muss und alle notwendigen Ausnahmengenehmigungen erhält, viele Einschränkungen für sie
nicht gelten sollen, usw., weil sie sonst ihre Kritischen Dienstleistungen nicht mehr
zuverlässig liefern können – die Versorgung mit dem wichtigsten, was der Mensch zum
nackten Überleben braucht, dem Trinkwasser. Der Bund und die Länder waren relativ
großzügig mit generellen Bestätigungen der hohen Bedeutung der Absender. Teilweise hat
das sogar Rechtsfolgen, die für die jeweiligen Kolleginnen und Kollegen nicht absehbar
waren, die die Briefe beantworteten. Denn der Bund hat keine Kompetenzen, eine Priorität
rechtsverbindlich und mit Folgewirkung festzustellen. Zuständig sind die Länder.
Der Bund verwies daher überwiegend an die Länder, mit manchen Lobbygruppen wie der
Jagd-Lobby ging die Korrespondenz und das Gerangel und Gefeilsche um Sonderrechte auf
allerhöchster Ebene munter weiter. Auf jeden Fall wurden und werden immer noch sehr viele
freundliche und verständnisvolle Briefe im Namen der Ministers, der Hausleitung oder des
Krisenstabs geschrieben, die viele Mitarbeiter des BMI und seiner nachgeordneten Behörden
sehr stark beschäftigt und ausgelastet haben. Viele Überstunden mussten gemacht werden,
jeder hielt sich und was er macht für wichtig. Die Kollegen sind wichtig, aber das ändert nichts
daran, dass zentrale Essentials der Krisenbewältigung vernachlässigt wurden.
Inzwischen schickt der BDEW, einer der großen Verbände der Trinkwasserbranche, seine
Lageberichte an den Bundes-Krisenstab (am 7.4. und 16.4.) und denen ist zu entnehmen,
dass aufgrund der Unterbrechung von Lieferketten bestimmt Produkte und Materialien künftig
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 76 von 83
nicht oder nur eingeschränkt verfügbar sein werden, die für die störungsfreie Versorgung mit
frischem Trinkwasser unverzichtbar sind.
Die Lage bei der Kritischen Infrastruktur Trinkwasserversorgung ist keine Ausnahme. Allen
anderen Kritischen Infrastrukturen geht es ähnlich. Wir stehen vor einer Situation, in der
einzelne Kritische Dienstleistungen – örtlich oder überregional, kurz-, mittel- oder langfristig,
kompensierbar oder nicht kompensierbar – nicht mehr wie gewohnt zur Verfügung stehen
werden.
Wie bereits aufgezeigt, sind die Kritischen Infrastrukturen ein Gesamtsystem, dass nur so
stark ist, wie jede einzelne Komponente für sich betrachtet. Diese besondere Bedeutung
scheinen auf den ersten Blick nur einige herausragende Kritische Produkte zu haben, wenn
man diese aufzählen möchte, merkt man allerdings schnell, dass diese Liste noch beim
Sprechen immer länger wird, sie enthält z.B. die Stromversorgung, das Internet, Nahrung,
Trinkwasser, aber auch Logistik und so manches andere. Es gibt sogar Kritische
Infrastrukturen, die als solche bisher gar nicht angesehen wurden und sich erst in dieser Krise
als solche erweisen (Funktionsfähigkeit des innerstaatlichen Wirtschafts- und Arbeitslebens
z.B.).
Das bedeutet in der Konsequenz, dass durch die Maßnahmen zum Schutz vor dem
Coronavirus nicht nur einzelne punktuelle Lücken eintreten können, sondern die Risiken
eines Systemkollapses steigen.
Die beschriebenen Probleme werden nicht nur kurzfristig bestehen. Es ist derzeit nicht
absehbar, wann die Lieferketten wieder so reibungslos wie früher funktionieren werden.
Für den Bereich Trinkwasser sieht es so aus:
Die Trinkwasserversorgung in DEU ist sehr vielfältig und sehr heterogen strukturiert.
Eine Reihe großer und sehr großer Betreiber in bestimmten Ballungsräumen, aber
auch sehr viele kleinere bis kleinste Anbieter. Große Wasserunternehmen verfügen
teilweise über ein professionelles eigenes Krisenmanagement, bei kleinen fehlt das
völlig.
Die Trinkwasserversorger sind derzeit dabei, ihren Betrieb auf vollautomatisierten und
digitalen Betrieb der Trinkwasserversorgung umzustellen, in vielen Bereichen ist das
schon geschehen. Das erhöht die Abhängigkeit von Stromversorgung und Internet und
erhöht damit die Versorgungsrisiken. Diese Risiken wurden und werden weiter
eingegangen, weil es wirtschaftlicher ist. Der Staat hat bisher nicht interveniert. Ich
habe einige kritische Vermerke geschrieben, das war’s.
Der Staat ist im Rahmen der Daseinsvorsorge verpflichtet, seiner Bevölkerung
Trinkwasser anzubieten. Vertragspartner auf der staatlichen Seite sind in der Regel die
Kommunen. Wenn es zu Ausfällen kommen sollte, haben Bürgermeister und Landräte
ein Problem – sie haften.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 77 von 83
Regionale und temporäre Engpässe und Lieferausfälle können ersatzweise mit
Tankfahrzeugen kompensiert werden, die das Wasser aus anderen Regionen
heranfahren. Bei einer flächendeckenden Lage ist das sehr viel schwieriger. Die
bundesweiten Gesamtkapazitäten bieten äußerst begrenzten Spielraum. Wenn der
erschöpft ist, fehlt das kostbare Gut und muss in Form von Mineralwasser-
Trinkflaschen beschafft werden. Wir haben in den letzten Wochen erfahren, was es
bedeutet, wenn die Menschen den Eindruck haben, sie müssten besonders begehrte
Produkte sofort und in größeren Mengen als üblich kaufen (WC-Papier, …). In
deutschen Supermärkten müssten Wasserflaschen rationiert abgegeben werden. Es
müssten wirksame Sicherheitsvorkehrung getroffen werden.
Als Rückfallposition könnte man an die sogenannten Notbrunnen nach dem
jahrzehntealten Wassersicherstellungsgesetz denken. Dieses ressortiert im BMI, das
BBK übernimmt die Durchführung (Fachaufsicht: KM 4). In Kriegszeiten und sogar in
zivilen Katastrophenlagen – das ist eine Sonderkonstruktion in diesem
Sicherstellungsgesetz (normalerweise ist das strikt getrennt) – soll die Bevölkerung im
Notfall mit Trinkwasser versorgt werden. Es gibt in ganz Deutschland etwa 5000
Notbrunnen. Die Qualität des Wassers ist gegenüber der Normalversorgung deutlich
reduziert, aber es reicht zum Überleben. Was nicht reicht, ist die Menge an
Notbrunnen. Es sind viel zu wenige. Schon die Vorstellung, dass die Berliner
Bevölkerung in langen Menschenschlangen anstehen sollte, um aus den zu wenigen
und nicht durchgehend funktionsfähigen Handschwengelpumpen, die über das
Stadtgebiet verteilt sind, ihr Trinkwasser eigenhändig zu fördern, macht deutlich, dass
die Notbrunnen keine Alternative sein werden.
Am 24. April 2020 wurden durch die Abteilung KM unter Mitarbeit des BBK die wöchentlichen
Lageberichte des Bundesverbandes Energie und Wasser (BDEW) ausgewertet. Sie zeigen
symptomatisch für alle Kritischen Infrastrukturen, dass die Resilienz unserer Gesellschaft
gesunken und Verletzlichkeit gestiegen ist. Dieser Befund bestätigt die Bewertung der ITSicherheit
durch BSI vom 22. April 2020(s.o.). Mit Ausfällen örtlicher Trinkwasserversorgung
ist jederzeit zu rechnen. Daran ist ablesbar, das eine Dynamik in Gang gesetzt worden ist, die
schwer kalkulierbar ist. Bis heute gibt es kein Monitoring des Status Quos kritischer
Infrastrukturen in DEU. Dieses müsste regelmäßiger Bestandteil eines Lageberichts
sein.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 78 von 83
Für die Aufgabe Schutz Kritischer Infrastrukturen ergibt sich nunmehr folgende Bewertung:
zeitlicher
Beginn
Gegenstand der Gefahr Risikopotential für KRITIS
(Einschätzung vom 24.04.2020)
Ende 2019 gesundheitliche Gefahren durch den neuen Coronavirus
(Covid-19, SARS-CoV-2) (Gesundheitskrise); u.a. Risiken für
die Versorgung mit kritischen Dienstleistungen
niedrig bis sehr niedrig
seit etwa
Mitte März
2020
multiple Gefahren unterschiedlicher Art, die durch
Maßnahmen, die zum Schutz vor den gesundheitlichen
Gefahren ergriffen wurden, ausgelöst werden (Wirtschaftsund
Gesellschaftskrise); u.a. Risiken für die Versorgung mit
kritischen Dienstleistungen
hoch bis sehr hoch
- Was ist zu tun?
mit unmittelbarem KRITIS-Bezug
- Gefahrenanalyse und –bewertung: Derzeit liegt keine belastbare Bewertung der
Gefahren für unsere Gesellschaft vor – weder für die Gefahren durch den Covid-19
Virus, noch für die Gefahren durch Kollateralschäden aufgrund der ergriffenen
Schutzmaßnahmen. Die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen kann ebenso wenig
festgestellt werden, wie deren Entbehrlichkeit. Das macht Veränderungen im
Krisenmanagement dringend erforderlich (siehe Punkt 4 „Empfehlungen für den
Krisenstab“). Dieser Zustand wirkt sich u.a. auf das Sicherheitsniveau und die
Verletzlichkeit von Kritischen Infrastrukturen aus.
- Wir haben in der Krise an Widerstandfähigkeit und Widerstandkraft vor Störungen
im KRITIS Bereich eingebüßt (Resilienz). Um unsere Resilienz annähernd auf das
frühere Niveau zurück zu bringen, wäre wünschenswert, die Lebens- und
Arbeitsbedingungen von vor der Krise wieder herzustellen und möglichst wenig
Veränderung beizubehalten. Denn ein großer Umfang an Veränderungen, die nicht in
einem geplanten organischen Prozess erreicht wurde, bedeutet bei Kritischen
Infrastrukturen stets Instabilität und unkalkulierbare Risiken. – Derzeit liegt keine
belastbare Bewertung der Gefahren für unsere Gesellschaft vor. Für die ergriffenen
Schutzmaßnahmen kann so keine Notwendigkeit festgestellt werden. liegt keine Es Ob
die ergriffenen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz notwendig sind, ist daher nicht
bekann. gesundheitliche bewertung einschätzung. Es kann für die Notwendigkeit noch
die Entbehrlichkeit von Schutzmaßnahmen eingeschätzt werden. vor, so dass der
Zeitpunkt Ob der richtige Zeitpunkt bereits gegeben ist, lässt sich nicht sagen, solange
keine belastbare Gefahreneinschätzung vorliegt.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 79 von 83
- Handwerklich-methodisch zum KRITIS-Schutz: Für die Zuteilung von
Schutzausrüstung und Sonderrechten wird es dauerhaft eine Priorisierung geben
müssen, die deutlich differenzierter ist, als bisher in der Krise praktiziert (fast
unterschiedslos). Es muss eine Prioritäten-Hierarchie gebildet werden, die innerhalb
von Branchen aber auch zwischen den Branchen Vorrangigkeit und Nachrangigkeit
definiert. Der Aufwand alleine dafür ist groß und erfordert qualifiziertes Personal, das
im benötigten Umfang nicht zur Verfügung steht. Trotzdem muss sofort an diese
Aufgabe herangegangen werden, weil Verteilkonflikte zwischen Kritischen
Infrastrukturen, die bereits jetzt ausgetragen werden, in Kürze stark zunehmen werden
und der Staat unter Entscheidungsdruck gerät.
Es ist zu empfehlen, das Personal des BBK umgehend zu erhöhen, damit der Bund
die Länder und Kommunen bei dieser Aufgabe unterstützen kann – mit
Handreichungen und Beratung. Die Länder erwarten vom Bund zumindest eine
Koordinierungsfunktion. Diese Aufgabe ist in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen.
Wenn die Priorisierung von Strukturen und Prozessen bei den Betreibern Kritischer
Infrastrukturen und bei der Aktivierung von Personal und anderen Betriebsmitteln für
die Versorgung mit kritischen Dienstleistungen ebenso unprofessionell erfolgen sollte,
wie das überforderte Krisenmanagement und die nicht minder überforderten
Regierungen in der Coronakrise, so wird uns das zahlreiche zusätzliche –
vermeidbare! – Tote kosten.
- Empfehlungen für den Krisenstab
Es müsste kurzfristig eine fundierte Manöverkritik im Krisenstab und den sie
berührenden Stellen durchgeführt werden, um die weitere Arbeit zu verbessern.
Eines der größeren Versäumnisse stellt die Zusammensetzung des Krisenstabs
dar, der bis heute alleine aus BMI und BMG besteht. Es fehlen alle Ressorts, in
deren fachlichen Verantwortungsbereichen sich der Kollateralschaden abspielt. Der
Krisenstab sollte künftig den Gefahren entsprechend zusammen gesetzt werden
Die Krise ist nicht vorbei! Ein Krisenmanagement wird auch dann noch dringend
gebraucht, wenn die Gefahr der Virusinfektion weitgehend gebannt ist. Die
Bestandsaufnahme hinsichtlich der Kollateralschäden und die Organisationen der
Reparaturen derselben müssen von einem Krisenmanagement gesteuert werden
und die Gefahrenlage muss weiterhin eng kontrolliert werden, nicht zuletzt wegen
der enorm erhöhten Verletzlichkeit, die jederzeit eine akute Krise auslösen könnte,
z.B. im Bereich der Kritischen Infrastrukturen.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 80 von 83
Im Krisenstab muss die Gefahrenanalyse und –bewertung professionalisiert
werden. Auswirkungen auf Kritische Infrastrukturen müssen angemessen
abgebildet werden. Wie das funktioniert, habe ich in diesem Bericht ausführlich
beschrieben (Systematik der Gefahrenbewertung mit Checklisten, etc.). Die
Einschätzung, was als Restrisiko vertretbar ist oder nicht, wird eine Gesellschaft
nicht alleine unter medizinischen Gesichtspunkten treffen können.
Sofort muss damit begonnen werden, entscheidungsrelevante Datenkategorien zu
ermitteln und die zugehörigen Daten zusammenzutragen und auszuwerten.
Für die Einschätzung der gesundheitlichen Gefahren müssten künftig alle
verfügbaren Quellen ausgeschöpft werden, um Einseitigkeit und blinde Flecken zu
vermeiden. Die in Anlage 7 (https://swprs.org/covid-19-hinweis-ii/#latest)
zusammengestellten fachlichen Positionen und wissenschaftlichen Erkenntnisse
über den Coronavirus müssten verifiziert werde. Viele legen nahe, dass die
Gefährlichkeit des Virus überschätzt wurde. Es müsste geklärt werden, was von
den im Umlauf befindlichen Informationen belastbar ist, und was nicht. Es sollte
nach jedem brauchbaren Baustein gefahndet werden, der unseren Kenntnisstand
verbessern kann.
Lagebilder müssen, um aussagekräftiger zu werden, auf die Übersicht über die
zentralen Gefahrenbereiche erweitert werden, die dann in einer Kurz- und einer
Langfassung dargestellt werden können. Schon aus dem Lagebild muss ein
Vergleich zwischen bezweckten Effekten und ungewollten Kollateralschäden
möglich sein.
Das Monitoring der Entwicklung im Bereich der Kritischen Infrastrukturen muss
integraler Bestandteil des Berichtswesens (Lagebilder) sein. – Dieser Punkt ist eine
Kernanforderung aus der Perspektive des Schutzes Kritischer
Infrastrukturen, die in diesem Bericht zuständigkeitshalber eingenommen wird. Er
steht in dieser Aufzählung trotzdem erst (fast) am Ende, weil seine Sinnhaftigkeit
und Wirksamkeit von der Umsetzung der vorgenannten Schritte abhängig ist.
Der Krisenstab müsste sich darum kümmern, den Einfluss von Interessen- und
Lobbygruppen jeglicher Art auf die Entscheidungsfindung des
Krisenmanagements zu ermitteln und zu neutralisieren. Es muss ausgeschlossen
sein, dass vom Krisenmanagement andere, als dem Gemeinwohl verpflichtete Ziele
verfolgt werden. Jede Fehlentscheidung kostet Menschenleben.
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 81 von 83
mit indirektem KRITIS-Bezug
- Beendet werden müssen nicht nur die Maßnahmen, sondern insbesondere die
Stimmung, die von öffentlichen Stellen und den Medien bis heute verbreitet wird und
als Alarmismus wahrgenommen wird. Dieser Alarmismus muss unverzüglich
eingestellt werden. Denn mit einer durch die Maßnahmen der letzten Wochen nicht
nur etwas belasteten, sondern schwer traumatisierten Bevölkerung werden wir den
zweiten, sehr viel länger andauernden Teil der Krise viel schwerer bewältigen, als den
ersten.
Es wird daher nicht damit getan sein, den Alarmismus ab einem Zeitpunkt x zu
beenden und Normalität zuzulassen. Man kann Normalität nicht einfach in gleicher
Weise wie einschränkende Maßnahmen erlassen und verfügen. Die Ängste, vor allem
die überschießenden irrationalen Ängste und die daraus resultierenden veränderten
Verhaltensweisen, werden nicht automatisch verschwunden sein, wenn die
Maßnahmen gelockert werden. Die in den vergangenen Wochen gemachten
Erfahrungen haben sich im Gemüt vieler Menschen festgesetzt und es ist noch nicht
absehbar, welche Folgen das haben wird. Wie werden die Kinder und Jugendlichen
davon geprägt worden sein. Nicht jede Reaktion auf das Aussetzen der berechenbaren
Normalität verläuft vordergründig, stürmisch oder vehement. Mancher wird es in sich
hineinfressen, vielleicht krank werden, andere tragen ab jetzt möglicherweise ein tiefes
Misstrauen gegenüber Menschen und staatlichen Institutionen in sich. Das meiste wird
sich voraussichtlich unbewusst und für die Umwelt kaum erkennbar abspielen – was
nicht heißt, dass es minder wirksam sein wird. Was bedeutet das für die
Innovationskraft unserer jungen Generation, auf die wir angewiesen sind?
- Die schwierigste Aufgabe wird es sein, verlorenes Vertrauen zurück zu erlangen.
Vertrauen in einen zuverlässig den Bürger schützenden Staat, der für diese wichtige
Leistung legitime Eingriffe und Einschränkungen vornehmen darf. Dieser Staat hat in
der Coronakrise in geradezu grotesker Weise versagt. Er muss, wenn er Vertrauen
wiedergewinnen will, nicht nur umkehren, sondern offen mit seinen Fehlleistungen
umgehen, sie einräumen und aufarbeiten, sonst werden dem Staat und dem
politischen System möglicherweise die eingetretenen systemischen Fehler nicht
nachgesehen.
Es gibt zwar noch eine Verhaltensalternative, die diente jedoch nicht den Interessen
der Bevölkerung und des Gemeinwesens, sondern denen einzelner Personen oder
Gruppen: Die Politik könnte versuchen sich zu rechtfertigen, die Administration könnte
unterstützend statistische Verfahren verändern, Zahlen umdeuten und versuchen
nachzuweisen, dass sie alles auf geniale Weise richtiggemacht hat. In diesem
Alternativmodell würde mit der aktivierten hohen Verunsicherung und Angst der
Menschen weiter gearbeitet, kritische Stimmen würden einschüchtert und es würde auf
die Wirkung sozialen Gruppenanpassungsdruck spekuliert werden. Diese Option birgt
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 82 von 83
gleichermaßen hohe Risiken für die Gesellschaft, als auch für die Personen, die sich
für sie entscheiden.
- Jede Krise hat ihre Profitteure, was nicht per se etwas Verkehrtes ist, aber diese
Gruppe wird versuchen, ihre Partialinteressen mit geeigneten Mitteln durchzusetzen,
vielleicht auch gegen die Interessen der Allgemeinheit. Dem muss entgegen getreten
werden.
Die Rückkehr zur Normalität bedeutet auch, alle eingeleiteten längerfristig
angelegten Projekte müssten zurückgefahren werden, wenn sie nicht der Rückkehr
zur gewohnten Normalität dienen. Sie haben ihren Sinn verloren und blockieren
Ressourcen, die jetzt für wichtigeres dringend benötigt werden. Bei jedem Projekt,
dass weitergeführt werden sollte, muss man sich bewusstmachen, dass die dafür
notwendigen Ressourcen aus dem kleiner gewordenen zivilgesellschaftlichen Kapital
beglichen und zuvor erwirtschaftet werden müssen.
Einer der größten Aktivitätsposten geht auf die Intensivierung von digitalen
Kommunikations- und Interaktionstechnologien zurück, sei es für Telearbeiter, virtuelle
Klassenräume oder neuartige Bürger- und Unternehmens-Services, für die
vorübergehend reduzierte Sicherheitsanforderungen galten. Diese Entwicklung
beizubehalten bedeutete nicht nur eine starke Veränderung der Alltagskultur, sondern
auch eine noch stärkere Abhängigkeit als bisher von Kritischen Infrastrukturen sowie
einen graduellen Verlust an Persönlichkeitsschutz (z.B. in Bezug auf
personenbezogene Daten, sowie weitere Betrugs, Missbrauchs- und
Manipulationsgefahren). Wir würden unsere Zivilgesellschaft in einer Phase niedriger
gesellschaftlicher Resilienz noch einmal zusätzlich schwächen. Auch hier wird der
Versuch insbesondere der Politik möglicherweise groß sein, Erwartungen von
Geschäftspartnern nicht zu enttäuschen. Und auch hier zeigt sich, dass die Zukunft
unserer Gesellschaft von dem Gewissen unserer Politiker abhängt, denen wir in einer
Demokratie während ihrer Amtszeit eine hohe Autarkie und faktische Macht zubilligen.
Schlussbemerkung
Dieser Bericht ist eine Momentaufnahme und kann natürlich nur einen begrenzten Ausschnitt
der Wirklichkeit behandeln. Wichtiger als ihn perfekt zu machen, war, dass er fertig wird. Er
enthält daher noch einige Redundanzen und Ungenauigkeiten. Ich hoffe sehr, dass dieser
Bericht dennoch einen produktiven Beitrag zum Krisengeschehen leisten kann.
- Vorwort 2
200507 Auswertungsbericht KM4 a (2).docx Seite 83 von 83
- Einführung
1.1 Aufgaben und Arbeitsweise des Referats KM 4
1.2 Warum diese Auswertung?
1.3 Wen und was meine ich mit „Krisenmanagement“ in diesem Bericht?
1.4 Der Schutz Kritischer Infrastrukturen
1.5 Referat KM4 als Ressource bei der Krisenbewältigung
- Wie waren das BMI (und die BReg) auf die Krisensituation vorbereitet?
2.1 Hinweise und Warnungen in früheren Arbeiten zum Bevölkerungsschutz
2.2 Hinweise und Warnungen in Publikationen, Broschüren und Reden
- Auswertungen früherer Übungen
3.1 Lükex 2007
3.2 Auswertung der Risikoanalyse aus 2012 und Bezüge zur aktuellen Krise
- Hat der Staat bisher genug für den Schutz Kritischer Infrastrukturen getan? Und wenn nein, was hindert
ihn daran?
- Was hätte bei der Gefahrenbewertung beachtet werden müssen?
5.1 Anleitung zur Gefahrenbewertung mit Checkliste
5.2 Wie hätte eine Gefahreneinschätzung (gesundheitliche Gefahren) nach Plausibilität ausgesehen?
5.3 Plausibilitätsprüfung für die Gefährdung durch den Corona-Virus mittels Gegenüberstellung von
Todesursachen
5.4 Elemente einer Plausibilitätsprüfung für die Auswirkungen einer Wirtschaftskrise auf die Pflege
5.5 Ansätze einer Plausibilitätsprüfung aus Perspektive der Bevölkerungsentwicklung
5.6 Exkurs Lebensqualität im Alter und Sterblichkeit
- Auswertung der Erfassung von Daten, die für Gefährdungsbewertungen und Entscheidungen über
Maßnahmen herangezogen wurden
6.1 Auswertung der BMI Lageberichte (bis 7. April 2020)
6.2 Auswertung des neuen Lagebildes des Krisenstabs von BMI und BMG (ab 8. April 2020)
6.3 Ergänzende Auswertung einer neueren Ausgabe des Lageberichts des gemeinsamen Krisenstabs BMI-BMG
– Konkret untersuchte Fassung vom 22. April 2020
6.4 Auswertung der Rahmenvorgaben zum Krisenmanagement
6.5 Zwischenbilanz der Bundesregierung
6.6 Könnte es eine Gefahrenanalyse und –bewertung außerhalb des Lageberichts des Krisenstabs gegeben
haben oder geben?
6.7 Exkurs Exit-Strategien
- Gegenüberstellung von Vorwissen und realem Handling des Krisenmanagements 2020
- Zwischenauswertung
- Beschluss der Kanzlerin mit den Länderchefs am 22. März 2020 im Kontext der Ergebnisse dieser Analyse
- Aktuelle und perspektivische Auswirkungen auf den Bereich der Kritischen Infrastrukturen
10.1 IT-Sicherheit
10.2. Gefährdungen im Bereich der Trinkwasserversorgung
- Was ist zu tun?
Schlussbemerkung
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1
Anlagenband zum „Auswertungsbericht“ vom 7. Mai 2020
Anlage 1
Aufgaben des Referats KM 4 (abgerufen: 17. April 2020):
Quelle: inet Seite für die Organisationseinheit Referat KM 4 (abgerufen am 17.4.2020):
https://inet.intern.bmi/Seiten/referatkm4.aspx
„Referat KM 4, Schutz kritischer Infrastrukturen
AUFGABENBESCHREIBUNG
Das Referat KM 4 befasst sich mit dem Schutz Kritischer Infrastrukturen als einem besonderen
Teilgebiet des Bevölkerungsschutzes. Hierbei geht es um den Schutz von Organisationen und
Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder
Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der
öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden. Gefährdet sind
Kritische Infrastrukturen nicht nur durch terroristische Anschläge, sondern auch durch
Naturkatastrophen, besonders schwere Unfälle, IT-Angriffe sowie technisches und/oder
menschliches Versagen. Da die Mehrzahl der für unsere Gesellschaft als kritisch zu betrachtenden
Infrastrukturen im Besitz privater Betreiber ist, arbeiten Staat und Wirtschaft Hand in Hand, um den
wirkungsvollen Schutz dieser Anlagen, Einrichtungen und Systeme sicherzustellen.
Referat KM 4 ist im BMI für übergreifende Themen und Anliegen im Zusammenhang mit dem
Schutz Kritischer Infrastrukturen zuständig. Zu seinen Aufgabengebieten gehören insbesondere:
Aufbau eigener Bewertungskompetenz zum Schutz Kritischer Infrastrukturen und daraus
entwickelte Initiativen sowie Stellungnahmen in Beteiligungsverfahren
Strategische Grundlagenarbeit zum Schutz von Kritischen Infrastrukturen vor sämtlichen
Gefahren
Hinwirken auf die Konsistenz des Schutzes wegen Interdependenzen der verschiedenen
Sektoren Kritischer Infrastrukturen miteinander
Federführung für Konzepte und Strategien, wobei die fachlichen Zuständigkeiten der
Abteilung CI für den Schutz von Informationsinfrastrukturen und für den Schutz Kritischer
Infrastrukturen vor Cyber-Gefährdungen unberührt bleiben
Zusammenarbeit mit anderen Bundesministerien, den Ländern, der EU, den Betreibern
Kritischer Infrastrukturen und mit Verbänden sowie mit sonstigen betroffenen Institutionen
Supra- und internationale Angelegenheiten zum Schutz Kritischer Infrastrukturen,
insbesondere Point of Contact in der EU-Kontaktgruppe für den Schutz Kritischer
Infrastrukturen, die die Fortschreibung und Umsetzung des Europäischen Programms für
den Schutz Kritischer Infrastrukturen (EPSKI) einschließlich der Richtlinie 2008/114/EG
betreibt
Mitwirkung bei der Gesetzgebung zu bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen sowie zum
Bevölkerungsschutz
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Referat KM 4 übt die Fachaufsicht über das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und
Katastrophenhilfe (BBK) aus, soweit Belange Kritischer Infrastrukturen berührt sind. Das BBK
erarbeitet v. a. methodologische Grundlagen, etwa für die Identifizierung Kritischer Infrastrukturen,
Risiko- und Gefährdungsanalysen sowie Maßnahmenpläne zum Schutz Kritischer Infrastrukturen
unter Berücksichtigung eines All-Gefahren-Ansatzes.
Im Kontext der Zivilen Verteidigung bearbeitet bzw. koordiniert Referat KM 4 die Anpassungen der
Sicherstellungs- und Vorsorgegesetze (eigene Federführung bei der Wassersicherstellung), die die
Aufrechterhaltung der Grundversorgung der Bevölkerung und der Streitkräfte im Spannung- und
Verteidigungsfall bzw. im zivilen Krisenfall zum Gegenstand haben.
Für die Sicherstellung des Schutzes ziviler oder zivil-militärischer Objekte, deren Ausfall die zivile
Verteidigungsfähigkeit nachhaltig einschränken würde, bearbeitet Referat KM 4
ressortübergreifend und gemeinsam mit den Ländern die Objekterfassungs- und die
Objektschutzrichtlinien.
Referat KM 4 ist darüber hinaus für den Schutz / die Sicherung von kerntechnischen Anlagen,
Einrichtungen und Transporten im Hinblick auf mögliche Gefährdungen durch terroristische oder
kriminelle Anschläge / sonstige Handlungen zuständig. Die Aufgabenschwerpunkte in diesem
Bereich sind Folgende:
Gefährdungsbewertungen bei aktuellen Vorkommnissen, Lagebilder; ggf. Ausrufen von
Gefährdungsstufen gemäß Rahmenplänen
Gremienarbeit, v. a. Bund-Länder-Gremien zur Sicherung von kerntechnischen Einrichtungen
(KoSikern; AK Sicherung)
Entwicklung von / Mitwirkung bei Rahmenplänen, Sicherungskonzepten, Rechtsnormen (z.
- RENEGADE-Rahmenplan KKW)
Mitwirkung bei EU-und internationalen Initiativen / Projekten (z. B. CBRN)
Referat KM 4 übt in diesem Aufgabenbereich bezüglich der Gefährdungsbewertungen und
Lagebilder die Fachaufsicht über das BKA, Referat ST 54, aus.“
aus der inet – Seite der Abteilung KM:
„Als Teilgebiet des Bevölkerungsschutzes wird der Schutz Kritischer Infrastrukturen im Referat KM 4
bearbeitet. Kennzeichnend sind die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und den Bundesressorts
sowie Koordinierungs- und Steuerungstätigkeiten. Unabhängig hiervon ist KM 4 auch für den
Schutz/die Sicherung von kerntechnischen Anlagen, Einrichtungen und Transporten im Hinblick auf
mögliche Gefährdungen durch terroristische oder kriminelle Anschläge und sonstige Handlungen
zuständig.“ https://inet.intern.bmi/Seiten/abteilungkm.aspx